Von der Johanniterkirche in Feldkirch

Im Volke gehen dunkle, finstere Sagen von kommenden Tagen voll Kriegsnot, und schon vor mehr denn einem Jahrhundert, zur Zeit der Franzosenkämpfe, konnte man es als alte, drohende Prophezeiung hören:

„Der Russ' tränkt 's Roß im Bodesee!"*

Ihre wilden Horden jagen dereinst auf kleinen Rossen verheerend über weite Länder. Die Johanniterkirche in Feldkirch wird in einen Pferdestall umgewandelt, aus den Betstühlen machen die Russen Barne. Wer diese Zeit überlebt, muß einen eisernen Kopf haben. Nach dem Kriege ist die Gegend so entvölkert, daß, wo immer zwei Männer einander in der trostlosen, menschenleeren Oede begegnen, sie sich vor Freude die Hand schütteln.

* Selbst Bitschnau, der 1807 die verflossenen Kriegsjahre beschreibt, spielt, als er vom Heranzuge des russischen Hilfsheeres spricht, darauf an. — Noch heute erzählen die Vorderländer Bauern, die Rosse der Russen seien so klein gewesen, daß die Reiter mit den Fußfohlen fast den Boden streiften. Sie jagten quer durch die Felder, sie holten von den Aeckern den Türken [Mais], bevor er im Barte war und bissen in die weichen Kolben, daß ihnen der milchige Saft auf beiden Seiten des Mundes herabtroff, wenn im Bauernhaus oder Stall und Tenn, wo sie lagerten, ein Gegenstand gelb glänzte, hielten sie ihn für Gold und stahlen ihn, so besonders die Messingbeschläge und Schnallen vom Sattelzeug der Pferde. Bald sagte das Volk: „Lieber die Franzosen als Feind, als die Russen als Freund'." Manche trösteten sich damit, nun sei die Prophezeiung doch friedlich in Erfüllung gegangen. Der alte Wagner in Weiler aber, der in den Birken in Koblach auf einschichtem Hofe aufgewachsen war und sich in geheimnisvollen Dingen gut auskannte, schüttelte dann stets den Kopf und meinte, die Russenreiter kämen schon noch ein zweitesmal.

Quelle: Anna Hensler, in: Rund um Vorarlberger Gotteshäuser, Heimatbilder aus Geschichte, Legende, Kunst und Brauchtum, Bregenz 1936, S. 6