Von Galgenvögeln

Da war einmal einer, den man gern gehängt hätte in Bregenz. Aber die Bregenzer hatten's wie die Nürnberger: Sie konnten keinen aufknüpfen, eh' sie ihn hatten. „Kriesebueb“ hieß man den Biedermann. Sein Skelett soll noch in Bern zu sehen sein. Dieser Galgenvogel begegnete einmal einem Weiblein bei Hörbranz. „Guete-n-Obed, Wible!“ „O an guete!“ „Wible, host o scho da Kriesebueb g'seahe?“ „Nei“, gab das Mütterlein zur Antwort, „aber g'hört ho-n-i scho viel vo deam Kearle.“ Da öffnete der Gauner beide Arme und rief: „Wible, lueg-me a, i bin-e!“ Die Alte wollte vor Schrecken schier umsinken; der Gefürchtete aber lachte und schlug sich in die Büsche.

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Einer der Galgenvögel wurde der „schöne Wilhelm“ genannt: Von dem weiß ich aber nichts Lustiges, auch nicht vorn „Galgenkaspar“, aber vom Hueter, zu dessen Hinrichtung einstens jung und alt, wer nur sein Fußwerk regen konnte, voll Neugier nach Altstätten eilte. Der Malefikant brach aber in der letzten Nacht aus, ließ kein Gras unter seinen Sohlen wachsen, und als er vor Tau und Tag, Fuhrwerke auf Fuhrwerke, Volk auf Volk auf allen Wegen und Stegen erblickte, fragte er einmal: „Wohin denn so eilig?“ „Altstette zue“, hieß es, „ma richtet de Huetar!“ „Ho, do müeßt i eigentli o derbei si!“ spöttelte der Gauner ihnen nach.

Quelle: A.K. G., VonGalgenvögeln am Bodensee, in: Holunder 15 (1937), Nr. 45, S. 3, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 245f