Wodan beschenkt die Guten und bestraft die Bösen

Es waren einmal vier Knechte, die sollten mit ihrem Vieh auf die Hochalpe gehen, konnten aber eine Kuh nicht mitnehmen, weil sie einen bösen Fuß hatte. Der Jüngste, ein Knechtlein von elf Jahren, sollte deshalb mit der Kuh über Nacht auf der Hütte bleiben. Er legte sich abends ins Heu und schlief fest. Als es Mitternacht war, hörte er ein Poltern und Geräusch im unteren Stock, als würde gesennt. In der Meinung, die drei Knechte seien nochmals zurückgekehrt, stand er auf und schaute hinunter. Aber wie erschrak er, als er vier wildfremde Männer mit langen Mänteln sah. Auf einmal kamen alle vier die Leiter herauf. Er verkroch sich schnell im Heu. Da stieß ihn einer weiter hinüber und sagte i „Verschwinde, das ist mein Platz!" Die ändern drei machten es ebenso und gaben ihm so heftige Stöße, daß er zu sterben glaubte. Er getraute sich nicht mehr in der unheimlichen Hütte zu bleiben und schlich hinunter als die viere schliefen. Als er bei der Tenne angelangt war, stand ein noch größerer Mann vor der Türe, hielt ihn auf und fragte, wohin er gehe und wer er sei. Er beantwortete alle Fragen und nun sagte der Mann: „Warte noch ein wenig!" Und er holte ihm Käse, Butter und Brot. Als der Junge gegessen hatte, sagte der große Mann: „Vergelt's Gott!" Dann ging er in den Keller und holte ein Stück Fleisch, und als das Knechtlein das Fleisch gegessen hatte, sagte der große Mann wiederum: „Vergelt's Gott!" Da hörte der Junge ein Geräusch auf dem Dache, und der Mann sprach zu ihm: „Nun sind wir erlöst, du guter Kerl. Hörst du nicht meine Mitbrüder, die auch erlöst sind? Als Lohn will ich dir eine Pfeife geben, mit der du alle Vogelstimmen nachmachen kannst!" Und dann verschwand der Mann.
Hohenems

Quelle: Vom alten Glauben, Sagen aus dem Kreis Dornbirn, Walter Weinzierl u. Theo Bildstein, Dornbirn 1944, S. 33f