Die drei Schwestern

vor überlanger Zeit kam oftmals ein Venediger Manndl in diese Gegend und holte von hier, vorzüglich aber vom nahen unbewohnten, jetzt waldigen „Sarninatale“, welches zwischen den drei Schwestern und dem Ziegerberg liegt, Gold in Hülle und Fülle. Das Manndl fuhr durch die Luft mit einem großen Krug in der Hand von Venedig dahin, stellte den Krug unter eine Wasserquelle, welche aus einem unterirdischen Goldfluß Goldkörner mitführte, und bald hatte es denselben voll, dann flog es wieder heim. Zum Beweise hatte es einmal den Krug voll Gold dortigen Hirten gezeigt, jedoch die ließen sich nicht blenden, bekreuzten sich und ließen den Venetianer gehen, denn sie wußten, daß er ein Zauberer war, der durch finstere Mächte seine Künste übte, wie alle sogenannten Venediger-Manndln, von denen unten ausführlich die Rede ist.

Nun wohnten zu Frastanz drei Schwestern, welche an dem hohen Maria-Himmelfahrts-Tag leichtsinnig und gottlos, statt in die Kirche zu gehen, in aller Frühe auf den Berg gingen, um Heidelbeeren zu pflücken, die da in Menge wuchsen, und sie dann in dem nahen Feldkirch zu verkaufen. Da trafen sie dort den Venediger, der sie anfuhr: „Was macht ihr heut da?“ Jene erschraken im Bewußtsein, einen so hohen Festtag schnöden Gewinnes wegen entheiligt zu haben und sagten: „Nichts! Nichts! Nichts!“ Da sprach der Zauberer mit rauher Stimme: „So sollt ihr auch zu nichts werden als zu drei kahlen Felsen, ohne Gras und Laub, ohne Bäume und Frucht, und unter euch soll mein Goldborn verborgen rinnen, und kein Sterblicher soll ihn finden.“ Alsbald wurden die drei Mädchen starr vor Schreck und zu Stein vor dem Fluche; denn dadurch, daß der Zauberer Macht über sie gewonnen hatte durch ihre Missetat, erlöste er sich und übergab sie an seiner Stelle dem Bösen.

Noch stehen und starren die drei Schwestern als so viele Felsenhäupter, aber der Venediger ward nie mehr gesehen, und sein Born quillt nicht mehr zu Tage, und die drei Schwestern blicken ernst herab in das obere Rheintal, auf Vaduz und in das Land Liechtenstein.

Quelle: Johann Nepomuk Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols, Zürich 1857, S. 227, Nr. 3, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 171f