Die Pest in Ludesch

In alter Zeit kam die Pest zweimal nacheinander nach Ludesch.

Das erstemal brach sie in den Judengasse aus und kam schon bis nach Parx hinein. Da gelobten die Bauern im eigentlichen Dorf, wenn sie verschont blieben, hart an der Pestgrenze eine Kirche zu bauen, und sofort endigte die Seuche.

Sie aber vergaßen allzu schnell Angst und Gefahr. Ein Kirchenbau dünkte sie ein beschwerliches und kostspieliges Gelübde; ein Bildstöckchen, vermeinten sie, täte es auch, und setzten ein solches an jene Stelle.

Dabei überkam es alle wie ein Taumel. Es war ein Weinjahr, so gut wie noch nie, in den Torkeln war jede Butte voll, und die Ludescher trieben es arg bei Suser und Tanz. Am ausgelassensten ging es im Torkel beim Tanzbrunnen zu und in der Tanzlaube nebenan.

Aber plötzlich kam die Pest zum zweitenmale. Mitten unter die Tanzenden kam sie in den wilden Jubel auf der Laube. Neunundneunzig an einem Tage streckte sie hin. Da erfaßte das ganze Dorf Zittern und Reue. Die Mädchen setzten einander in der Tanzlaube Totenkränze auf; die Männer gingen an den Bau der versprochenen Kirche, und sobald sie ihn begonnen, erlosch das Sterben.

Sie aber führten das Werk reuig zu Ende, und die Kirche, welche sie in der Pestnot erbaut, ist setzt die Pfarrkirche von Ludesch. Noch heutigen Tages betet man darin jeden Sonntag eine Litanei zum heiligen Sebastian.

Quelle: Anna Hensler, in: Rund um Vorarlberger Gotteshäuser, Heimatbilder aus Geschichte, Legende, Kunst und Brauchtum, Bregenz 1936, S. 48f