DIE SCHLANGENKÖNIGIN

Einmal geht ein Mann an einem Weiher spazieren und sieht auf einem Stein ein eisernes Kistlein, und er geht und hebt höfele das Lid auf, weil es ihn wundert, was in dem eisernen Kistlein sei, und da findet er ein schönes goldis Krönlein drin. Er luget und staunt und will den Augen zuerst nicht recht trauen, nach und nach aber nimmt er das Krönlein zart in die Hand, schaut um, ob ihn niemand sehe, und lauft drauf auf und davon, laufst nicht, so gilt's nicht. Aber das Krönlein hat einer Schlangenkönigin gehört, die etwa einmal in den Weiher baden gekommen ist, und vor sie in das Wasser gegangen ist, hat sie das Krönlein in das Kistlein gelegt, daß es nicht naß werde. Wie sie aber nach einer Weile aus dem Bad kommt und im Kistlein halt kein Krönlein mehr findet, läßt sie einen lauten Pfiff, und drauf sind viele hundert schneeweiße Schlangen hervorgekommen und wie Pfeile dem Kröneleschelm nachgeschossen. Sie hätten ihn bald erwischt, er ist aber noch so gescheit und verwirft das Krönele und kommt den Schlangen ab. Die sind umgekehrt und haben der Königin das Krönele wieder zur Hand gestellt.

Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 87, Seite 95