DER MATONABACH BEI BAD ROTENBRUNNEN

Ungefähr eine Stunde Weges von der walserischen Bergpfarre Buchboden entfernt, liegt in einem einsamen und unwirtlichen Talkessel das in der ganzen Gegend gepriesene Bad Rotenbrunnen. Nicht weit von dem bescheidenen Badhaus braust ein Wildbach vorbei, der den Namen Matonabach führt. über die Entstehung des Bades und des Namens des Wildbaches geht diese Sage: Ein Hirte hatte einmal seine Herde in die Gegend getrieben, wo jetzt die Quelle aufgefaßt wird. Während die Tiere grasten, schaute er von einem Hügel in die Gegend und fand sie so wüst und unfruchtbar, daß er sich nicht enthalten konnte zu sagen: "Der Schöpfer hat dieses Tal doch zu wenig bedacht; wachsen ja kaum ein paar Halme um die Steinhaufen herum und ein paar Kräutlein den Bach entlang, daß sich kümmerlich die Schafe nähren können; warum soll denn dieses Revier des Schmuckes der Obstbäume, der Kornflur und üppigen Graswuchses entbehren?

Während aber der Hirt auf dem Hügel bei sich selbst noch brummte, zog unter rollendem Donner und helleuchtendem Blitzen ein Ungewitter heran. Bald fiel der Regen in Strömen. Der Hirt floh und wollte unter einer dichtreisigen Tanne unterstehen, aber da brach unter seinen Füßen das erweichte Erdreich, er stürzte in das Tobel des Wildbaches hinunter und verletzte sich schwer an einem Fuße. Lange Zeit lag er hilflos da, und Schmerz und Angst lehrten ihn, die Augen gen Himmel zu erheben und inbrünstig um Rettung zu flehen. Der Regen ließ nach, der Himmel blaute wieder und eine wunderbare Helle ergoß sich auf einmal über den nahen Tannenwald, und zwischen den Tannen trat die Muttergottes hervor, eine hohe Glanzgestalt, um Stirn und Haupt eine Sternenkrone. Engelmild neigte sie sich zum Verwundeten nieder und sprach: "Schilt nie mehr der göttlichen Vorsicht Werke. Was sie in schauerlicher Wildnis und Gebirges Einsamkeit verborgen hält, wiegt oft die Ernte des Südens auf; bade dein verletztes Glied dort in der Quelle, die silberfarben aus rotem Gesteine hervorsprudelt." Darauf war sie verschwunden. Der Hirt kroch gläubig zur Quelle hin, badete den verletzten Fuß und fühlte alsbald die wohltätige Kraft dieses Heilwassers. Dann sammelte er seine Herde, zog dankerfüllten Herzens heimwärts und erzählte von der Muttergottes und der Wunderkraft der Quelle. Da baute man dann ein Badhaus und nannte die Quelle von dem roten Ansatze, den sie zurückläßt, den "roten Brunnen". Zur Erinnerung an die Erscheinung Unserer Lieben Frau deuten manche auch den alten Namen des vorbeistürzenden Wildbaches als Madonnabach.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 142, Seite 121