DIE HEUSCHRECKENPLAGE

Im Mittelalter wurde Wien häufig von riesigen Heuschreckenschwärmen heimgesucht, die großen Schaden an den landwirtschaftlichen Kulturen anrichteten.

In alten Urkunden sind die Jahre 1195, 1338 und 1473 erwähnt, weil in ihnen fast die gesamte Ernte von den gefräßigen Heuschrecken vernichtet wurde.

Das Gebiet zwischen der Lederergasse und der Laudongasse im achten Wiener Gemeindebezirk, wo ein Haus neben dem anderen steht, nannte man damals das Buchfeld, an das heute noch die Buchfeldgasse erinnert. Dort befand sich ein reicher Grundbesitz, der einem adeligen Herrn gehörte, bei dem viele Knechte und Mägde ihren Dienst verrichteten. Tag für Tag mußten sie schwer arbeiten und die Felder bestellen, denn ihr Herr war ein strenger und gefürchteter Mann.

Eines Tages, als die Knechte beim Einbringen der Ernte waren, kam ein Reiter im gestreckten Galopp zu den Feldern und rief: "Die Heuschrecken kommen! Rettet euch!" Und wirklich, schon von weitem sah man eine riesige Wolke, welche die Sonne verdunkelte und sich mit großer Geschwindigkeit näherte. Die Knechte wußten, daß sie gegen die Scharen der schrecklichen Schädlinge nichts ausrichten konnten, und so ließen sie ihre Werkzeuge fallen und rannten so schnell ihre Füße sie trugen nach Hause.

Als sie dort angekommen waren, erstatteten sie dem Gutsherren Bericht. Der aber wurde sehr böse als er erfuhr, daß seine Leute die Erntearbeit unterbrochen hatten, und er beschimpfte sie und schrie, daß er das Ungeziefer bezwingen werde. Er ließ sein Pferd satteln, nahm seine Hunde und ritt zu seinen Äckern auf dem Buchfeld. Dort waren die Heuschreckenschwärme schon angekommen und fraßen alles kahl.

Das Rauschen von tausenden Heuschreckenflügeln, das wie prasselnder Regen klang, erschreckte die Hunde und sie stoben in wilder Flucht davon. Wütend sprengte der Gutsherr mit seinem Pferd mitten zwischen die Schwärme der gefräßigen Schädlinge und hieb mit seinem Schwert um sich. Die Heuschrecken schwirrten um ihn herum und er wußte nicht, wie er sich ihrer erwehren sollte. Sein Pferd scheute und warf ihn ab.

Am nächsten Morgen, als die Knechte sich auf den Weg zu den Feldern machten, sahen sie die verheerende Verwüstung. Kein Getreidehalm stand mehr auf dem Acker, überall lagen riesige Haufen von verendeten Heuschrecken und auf dem kahlgefressenen Feld lag der tote Gutsherr mit seinem Roß.

Quelle: Wien in seinen Sagen, Eva Bauer, Weitra 2002, S. 203