Die seltsame Schlittenfahrt

Ein seltenes Beispiel von Volksbelustigung ging im 18. Jahrhundert von der Roßau aus. Seit Menschengedenken war damals die Donau nicht so fest zugefroren gewesen, daß man drüber mit halbbeladenen Wagen hätte fahren können. Nach langer Zeit trat 1767, kurz nachdem der erste Schnee erschienen war, dieser Fall wieder ein. Die Fischer und Schiffer der Roßau, die vormals eine aufgeweckte und lebenslustige Menschenklasse waren, wie die alten Fischmarkt-Satzungen beurkunden, faßten den Entschluß, dieses so selten gewordene Ereignis durch eine ebenso seltene Festlichkeit zu feiern. Sie veranstalteten eine Schlittenfahrt ganz eigener Art. Sie setzten ein großes Kellhammerschiff, welches reichlich mit Wimpeln und Bändern aufgeputzt wurde, auf Kufen und ließen es von zwei schöngeschmückten Zügen der stärksten Hochenauer-Rosse aus der genannten Vorstadt über das Glacis durch die Stadt in die Leopoldstadt ziehen. Die Lenker des Schlittenschiffes und der Rosse benahmen sich bei dieser abenteuerlichen Fahrt ganz so, als ob sie auf dem Wasser wären. Sie ließen denselben Ruf, und bei jeder Wendung dasselbe Geschrei hören, auch übten sie bei jedem Anhalten dasselbe Verfahren, wie bei dem Hufschlag an der Donaubahn. Auf einem großen Feuerherd an der Vorderseite des Schiffes wurde gekocht und auf den großen Plätzen der Stadt, auf der Freiung, dem Hofe und dem hohen Markte, das sogenannte Windfeiern nachgeahmt.

Groß war dabei das Jauchzen und das Freudengeschrei des zahllos zusammenströmenden Volkes, besonders wenn von den Schauspielern des Tags vom Verdecke die Becher geleert und Knödel ausgeworfen wurden.

Quelle: Realis (= Gerhard Cockelberghe-Duetzele), Geschichten, Sagen und Merkwürdigkeiten aus Wiens Vorzeit, Wien 1846, S. 307 f.