Das Lampelhaus

In der Kahlenbergerstraße stand das alte Lampelhaus. Hier wohnte der Gemeindehalter bei den vielen Stallungen, die bis zur Greinergasse reichten. Es waren Stallungen wie viele andere, aber in der Heiligen Nacht gab es hier ein heiliges Wunder.

Wenn die zwölfte Stunde nahte, wurden die Tiere unruhig, blickten nach Stalltür und Fenstern, und wenn sie nichts von Lauschern bemerkten, steckten sie die Köpfe zusammen und huben ein Plaudern und Reden an, daß es nicht zu glauben war. Zuerst sprachen sie von dem, was sie alles im ganzen Jahr hatten erdulden müssen, und dann von künftigen Ereignissen im kommenden Jahr. Der Halter wagte es nicht, die Tiere in dieser Nacht zu stören. Das Reden sei die einzige Freude, die ihnen Gott gewähre, es müsse sie entschädigen für die Last des ganzen Jahres. Oft horchte man an der verschlossenen Stalltür. Allgemein erzählte man, daß die Pferde ihrem horchenden Herrn den baldigen Tod vorhergesagt hätten.

Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 113, S. 126
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, April 2005.