Der Lindwurm vom Kahlenberg

Auf dem Kahlenberg hauste im 12. Jahrhundert ein grimmiger Lindwurm, den niemand zu bestehen wagte. Ein Wiener, der sich ein Haus bauen wollte, sandte Leute hinaus, die ihm Steine brechen mußten. Diese stießen auf einen Drachen mit zwei kleinen Flügeln, der vor seiner Höhle schlummernd in der Sonne lag. Entsetzt meldeten sie dies dem Herrn. Doch der zog mit den Leuten hinaus und ließ von oben einen festen, länglichen Kasten, der vorn und hinten offen war, vor dem Höhleneingang hinab. Die vordere Öffnung war aber nur so groß, daß der Drachenkopf hindurch konnte, nicht aber der Leib. Vor dieses Loch banden sie ein lebendes Kalb, das den Drachen als Köder aus der Höhle locken sollte. Er fuhr blutgierig in den Kasten und zwängte den Kopf durch das Loch, um das schreiende Kalb zu erreichen. Unterdessen ließen die Leute hinten einen schweren Schiebdeckel fallen, so daß nur noch Kopf und Schwanz des Untieres herausragten. So konnte nun der Drache weder vor noch zurück. Nun wälzten sie schwere Steine über die Falle, zündeten ein riesiges Feuer an, so daß das Tier ersticken mußte. Später zogen sie ihm die Haut ab und hängten sie als Schild an das neue Haus.


Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 7, S. 22
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, April 2005.