Die Vorboten der Pest im Jahre 1679

"Es haben aber vor dieser erschrecklichen Seuche sich unterschiedliche Vorboten spüren lassen und solche zuvor angedeutet, wovon gar vieles und unterschiedliches erzählt worden, wir aber nur weniges anziehen: die Hüter in denen Weingärten nächst Wien herum beteuerten eidlich, daß sie im vorigen Herbst bei der Nacht öfter merkliche Phoenomena und schreckbare Chasmata über der Stadt Wien gesehen, welche sie zwar nicht verstanden, doch aus ihrem Erzählen wurde entnommen, daß sich ungewöhnliche Irrlichter, großer Glanz in der Luft, nicht anders als ob sich der Himmel auftäte und spaltete, habe sehen lassen. Seltsam ist auch jenes was ein Infizierter kurz vor seinem Ende mit Trauen und Glauben seines Gewissens erzählt hat. Dieser ging kurz vor seinem Ende Nachtszeit, doch bei so hell scheinendem Monde daß er jede Schrift leicht hätte lesen können, aus dem Dorf Hernals nach der Stadt. Da er aber von gedachtem Dorf aufs nächste Feld kam, hörte er unfern von denen ganz klar und deutlich "Placebo Domino" singen; er stand still und glaubte, er höre unrecht, als welches etwa von einer Einbildung herkäme; allein er hörte solches Trauergesang und Totenvigil so ausführlich repetieren daß er an solchem gar nicht mehr zweifelte. Und siehe in eben der Gegend, wo solcher Totengesang erschallte, ward nachher ein Totenkrüffte gemacht und sehr viel der infizierten Toten daselbst begraben, zu geschweigen von mehreren anderen dergleichen vorhergegangenen Zeichen."

Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 94, S. 110
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, Mai 2005.