Die Fischerstiege

Eine der ältesten Sagen meldet, es sei schon um das Jahr 882 auf dem Hügel hart an der Donau, am Gestade - im Munde des Volkes auf der Gestatten, wie diese Stadtgegend noch genannt wird - gegen die obere Donauinsel Roßau durch die Andacht der Fischer, Schiff- und Kaufleute eine Kapelle zu unserer lieben Frau entstanden. Von der Stelle, wo die Schiffe landeten und wo die Waren, vorzüglich Salz, am kiesigen Ufer ausgeladen wurden - woher der Name Salzgries entstand -, am Fuße des Berges stiegen diese Leute auf dem Steige auch zum alten Ruprechtskirchlein hinauf oder näher über die von den Fischhändlern erbaute Stiege, die Fischerstiege, zu dieser Marienkapelle am Gestade, oder Mariastiege.

Man sieht hieraus, daß die Fischerstiege der älteste Teil der Stadt ist, von wo die Fischer und Schiffleute, die Bewohner derselben mit Lebensmitteln, vorzüglich mit Fischen, versorgt wurden. Auch der Name Fischerstiege ist uralt und kommt schon in den frühesten Urkunden als ad gradus piscatorum vor. Er besteht heute noch und ist auf das Haus Nr. 369 übergegangen, worauf sich ein uraltes im Jahr 1839 aufgefrischtes Wandgemälde befindet, eine brückenartige Stiege und die Bibelstelle vom Fischzuge Petri vorstellend, mit der Unterschrift:

Dieses Haus steht in Gottes Hand
Zur Fischerstiege wird es genannt.

Quelle: Realis (=Gerhard Cockelberghe-Duetzele), Geschichten, Sagen und Merkwürdigkeiten aus Wiens Vorzeit, Wien 1846, S. 440