DIE BILDSCHÖNE DETTA

In der Altstadt in Temeswar lebten in früheren Zeiten zwei Feen, Mazura und Detta. Die erste war häßlich und böse, die zweite hingegen war bildschön und gut. Sie gerieten ständig in Streit, denn Mazura wollte alleine in dieser Stadt schalten und walten und drohte, die schöne Detta zu vernichten. Weil die gutherzige Detta aber nicht in Feindschaft leben wollte, beschloß sie, die Stadt zu verlassen. Eines Tages stand sie schon zeitlich auf und zog hinaus ins Freie, wohin wußte sie selber nicht. Sie ging über Feld und Flur, immer dem Westen zu. Und als am Abend die Sonne feuerrot am Himmel stand, machte sie halt. Unweit hörte sie ein Wasser rauschen, sie ging näher und fand einen kleinen Fluß. „Hier werde ich bleiben", sagte sie, „hier gefällt es mir." Sie hob beide Hände hoch, murmelte einen Zauberspruch, und gleich darauf stand um Ufer dieses Flüßchens ein prachtvolles Haus. Da sich Detta hier einsam fühlte und mit Menschen verkehren wollte, sagte sie am nächsten Tag einen zweiten Spruch, und rieben ihrem Haus erhob sich ein Einkehrwirtshaus. Damit aber auch Leute hier vorbeikommen sollten, sagte sie nun einen dritten Spruch, und diesmal entstand eine Landstraße, die dicht am Wirtshaus vorbeiführte.

Nun war Detta glücklich, denn hier lebte sie in Frieden. Sie war auch nicht mehr einsam, denn bei dieser bildschönen und guten Wirtin kehrten immer Leute, die des Weges kamen, ein. Ein Jahr später machte ein Zug Schwaben vor ihrem Wirtshaus halt. Sie kamen aus dem Schwarzwald und suchten einen guten Platz, um sich niederzulassen. Als Detta davon hörte, sagte sie zu ihnen: „Bleibt doch hier! Hier ist Wald und Feld und Wasser, und alles was ihr braucht." Und wirklich, den Schwaben gefiel es hier, und sie siedelten sich an.

Nach kurzer Zeit verliebte sich der schönste und wackerste Schwabenbub, der Jäger Franzl, in die schöne Fee-Wirtin Detta. Als er ihr die Heirat vorschlug, sagte sie: „Franzl, ich liebe dich auch von ganzem Herzen, aber trotzdem kann ich dich nur dann heiraten, wenn du mir versprichst, daß du nie mit mir zusammen auf der Gasse gehen wirst und mich auf der Gasse oder bei fremden Leuten nie berührst. Wenn du das nicht einhalten wirst, geschieht ein großes Unglück." Der Bub war einverstanden, und sie heirateten. Als schon zehn Jahre verstrichen waren und sie auch zwei Kinder hatten, wurden sie auf eine Hochzeit geladen. Franzl wollte diesmal zusammen mit seiner Frau auf der Gasse gehen, aber sie wehrte ab: „Ich gehe vor, und dort kommen wir zusammen", sagte sie zu ihm. Franzl schämte sich schon, denn in den zehn Jahren war er noch nie mit ihr ausgegangen. Die Leute im Dorf sagten, daß sie sich überhaupt nicht lieb hätten. Er wollte dieser Rederei nun ein Ende machen, er wollte zeigen, daß er sie wirklich liebt und sie nicht wegen ihres Vermögens geheiratet hatte. Er wußte aber nicht, daß seine Frau eine Fee ist. Er glaubte, daß das Unglück, von dem sie sprach, bloß Einbildung sei, und er nahm sich vor, sein Versprechen heute zu brechen. „Was kann geschehen, wenn ich mit ihr gehe?" Bei diesem Wort trat er aus dem Haus und eilte seiner schönen Frau nach. Als er schon ganz dicht bei ihr war, legte er seinen Arm auf ihre Schulter, beugte sich vor und lachte sie an.

Detta erschrak, wurde ganz weiß im Gesicht und sagte: „Franzl, warum hast du das getan? Jetzt bin ich verloren..." Kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, da blitzte es hell auf, und die schöne und gute Detta, das prächtige Haus und das Einkehrwirtshaus verschwanden für immer.

Ihr zur Erinnerung aber gaben die Leute aus dem Dorf ihrer Ortschaft den Namen „Detta". Und sie trägt ihn heute noch.

(Erzählt von Emmerich Höger aus Temeswar, aufgezeichnet von Ferdinand Heim)

Quelle: Banater Volksgut, Erster Band, Märchen, Sagen und Schwänke, Herausgegeben von Walther Konschitzky und Hugo Hausl, Bukarest 1979, Seite 107