DIE ZÄHLINA

Vun da Sebesch bis zum Zlagnaberch taalt da Muntjewech da Nei-karansebescha Hottar in zwaa Taal: der gegn Sonnaaufgang is die vodare Zählina — rumänisch haaßt „telina" so viel wie Brachfeld —, und die sich gegn Zärvesti zieht, is die hindare Zählina, wie ma da bei uns sagt. Wenn ma schaut, da sein die Derfa Zärvesti, Turnu Ruieni, Borlova und Zlagna wie a halbata Bogn, un im Hintagrund siehgt ma a klaane Buckl, des is da Muntele Mic, un a große Buckl, des is da "Tarcu. Die vodare Zählina is Ackafeld, scheene Frucht un Kukuruz wachst da, un da is ma im heißn Somma aach in sternhelle Mondnacht die Stupplfelda stirzn oda brochn ganga, un die Baua ham ihra klanare Buhn mitgnumma fir Ackatreibn, des warn die Ackatreibabubn. In a mondhelle Augustnacht war ich aach Ackatreibabub, mir ham in da vodare Zählina gstirzt. Wie da neiche Tach is kumma, warn ma fertich; unsa Feld war wie vun a Mala gmalt! Da warn ma dann am Pfluggrindl ghockt, ham uns ausgrast, un da hat rnei Vata mir so scheen die Gschicht vun da Zählina, wie sie den Namen kriegt hat, vazählt, un ich hab mucksmäischeruhich zuglost:

Als Neikaransebesch in 1812 angsiedlt worn is, warn zuerscht nor dreizehn Häisa, des warn die Grenzla, so hat ma iba dene gsagt, weil die Derfa da im Temesch-, Sebesch- und Bistratal bis nauf nach Boutar warn unta da estarreichischn Militärgrenz, un die Grenzla ham missn Kordondienst machn. Un die Familie, die Vawandtschaftn ham in Familiengemeinschaftn glebt, in da Grenzkommunion: da Älteste hat gschafft un alles eingetaalt. So hat ma damals in da Militärgrenz glebt.

Da erschte Richta bei uns da war da Ignaz Reisnbichla; die Reisn-bichla warn Steira, un da Nazi war sechsunzwanzig Jahr da Richta, Ma hat ghert, daß er mit Vorspann bis in Wien war, un dort sol a zwaa Zuchtschäf un a Pflug kriegt ham, die hat er mitgebracht. Da greßte Herr war da aba da Bezirkshauptmann mitn Sitz in Karansebesch, un die Richta ham alle Sonntag in da Frieh bei ihm beim Rapport sein missn. Da hat da Bezirkshauptmann aach aamal die Felda inspiziert, hat den Richta vun uns rufn lassn un Befehl gebn: „Schaun'S, Richter Reisenbichler, Sie werden mit Ihren Leuten den Wald zwischen der Sebesch und den Hügeln gegen Zlagna ausroden. Unser Ärar braucht Ackerfeld hier in der Gegend und Heuwiesen. Wohlverstanden? Sonntag will ich eine gute Meldung haben."

Wie die Leit ghert ham, ham sie sich gsträibt, ham nit wolln: „Ham man nit genuch gschufft un sich abgrackat? Des aa noch? Un so schnell? Was zuviel is, is zuviel!" Da Richta hat des gmeldt, aba soviel hat a gebraucht! Er hat noch sagn kenna: „Mir wern schun, aba halt mit da Zeit..." Da Hauptmann is fuchsteiflswild worn un hat gschriern: „Reisenbichler, morgen schon, morgen, sage ich! Verstanden? Bringen Sie alle Familienväter hinaus und auch eine Bank, Stöcke und die Handschellen! Wir werden die Waldstücke, die zu roden sind, zuteilen. Wer nicht will, der kommt auf die Bank, und Er zähle ihnen fünfundzwanzig mit dem Stock auf den Arsch! Wir haben gute Panduren vom Stockhaus!" Stockhaus, des war des Gefängnis.

Was hättn die arme Bauan machn selln? Geschimpft, gflucht hat so mancha wie a Rohrspatz: „Der Großschädl soll selba probiern, des in so kurza Zeit zustand zu bringan! Drei Teifl solln ihm holn un sei Urkukandl aach dazu!" „Na ja, na ja", hat da Richta gsagt, „mach ma des aa, es bleibt uns nix ibrich." Und sie sein dranganga. Zuerscht ham sie Lichtunga in Wald neingschlagn, die Baama gfällt, des Sträichazeich is vabrennt worn, un langsam, langsam — aba viel Schwaaß is grunna! — ham sie aach die Sturzn rausgegrabn. A stark schwere Arbeit war's. Aba sie ham missn, weil da Hauptmann hat gsagt, wenn sie nit wolln, sie missn oda zähl ihna drauf!

Un wer des war, waaß ma nit, wer des aufgebracht hat, nor ma hat dann iba des Feld gsagt die „Zählina". So is da gudas Ackafeld, gude Wiesn firn Ärar worn. Wenn die Sternbluma, die Narzissen, abgeblieht sein, werd Hai gmäht, un wenn's Wetta gut spielt aach noch Grummet...

Aamal war da Fritz-Vetta mit sei zwaa Sehn dort draußn auf da Zählina, un af a Jachdwagn is a scheene, elegante Frau nausgfahrn kumma. Da Kutscha hat missn stehnbleibn un ihra Sonnaschinm haltn. A warme Wind is ganga, die Sternbluma ham sich gwiegt, die Lerchl harn gsunga weit hoch drobn in da Luft. „Schön, geradezu wunderschön ist es hier! Drei Lerchn singen hier unter dem Himmel..." „Naa, naa", sagt da Fritz-Vetta, „schaun'S nor, es sein nor zwaa, a Lerchl un sei Manndl." Sie hat glacht: „Aber wann is es hier doch am schönsten?" „Imma!" war sei kurze Antwort.

(Aufgezeichnet in Neukaransebesch von Friedrich Bartolf)

Quelle: Banater Volksgut, Erster Band, Märchen, Sagen und Schwänke, Herausgegeben von Walther Konschitzky und Hugo Hausl, Bukarest 1979, Seite 113