DIE SAGE DES DORFES MERIA

Hm! Hm! so geschah es also, daß gleich sieben Räuber zusammentrafen und daß jeder von ihnen einen Esel hatte; und alle hatten sie auf dem Esel je zwei Ledersäcke mit Geld. So wanderten sie umher, tagsüber schliefen sie, des Nachts jedoch raubten sie aus Gemeinden und Dörfern: Pelzwesten der Bauern, ihr ganzes Wams, Schafpelze, Stiefel, Schnürschuhe, Mützen, wie wir diese Dinge halt alle nennen, die verschiedensten Sachen trugen sie zusammen, damit sie etwas zum Verkaufen und auch selber was zum Anziehen hatten.

Und so war das, und dann begann der Kampf - damals sagte man Hetzjagd, nicht Krieg, sondern Verfolgung; und damals nannte man die Polizei nicht Polizei, man nannte sie Haiduken . . . Haiduken, Grenzwächter. Und als die Räuber sahen, daß diese sich ihnen näherten, beschlossen sie, den Berg zu verlassen, sie wollten wegziehen von diesem Platz und einen sichereren Unterschlupf suchen, damit sie niemand ausfindig machen könnte, damit diese "Fahndung" sie nicht entdecke. Und so gingen sie mit ihren Eseln, ihrem Geld und ihren Töpfen, die sie besaßen, zur Höhle bei Piscu — "Maul des Mihai" genannt, so hieß sie.

Dort fanden sie diese Höhle, groß genug für 7 Personen und für die Ware, die sie bei sich hatten, und dort ließen sie sich nieder. Und dort war eine Eiche, die ganz nahe beim Felsen gewachsen war und vom Boden hinauf zur Spitze des Felsens reichte. Doch damals war der Eingang zur Höhle nicht unten auf dem Boden, die Höhle war weiter oben in der Mitte des Felsens. So dachten sie nach, wie sie in die Höhle gelangen könnten. Dann begannen sie mit der Axt von unten nach oben Kerben in die Eiche zu hacken, und in den Kerben befestigten sie Hölzer, damit sie so in ihre Wohnung gelangen konnten. Und auf diesen Hölzern stiegen sie bis zur Höhle hinauf und so gelangten sie in die Höhle. Dann reichten einige von unten denen von oben alle Waren, die sie mithatten, hinauf, damit sie diese in der Höhle aufstapeln konnten: leere Fässer, jene Ledersäcke voll Gold, Kupfergefäße, solche Tontöpfe — wie wir sie halt nennen — mit zwei Henkeln. Und in die Fässer und Eimer und Töpfe steckten sie das Geld hinein — zu der Zeit war das Geld aus Gold und Silber. So ließen sie sich also hier nieder und wiederum begannen sie, die Dörfer auszurauben. Doch als sie sahen, daß die Verfolgung auch bis hierher reichte, überlegten sie, wie sie denn da alles zustopfen konnten, damit niemand die Höhle, in der sie hausten, bemerkte.

Sodann schickten sie sich an und einige brachten Erde, einige Geäst und andere Steine hinauf, dieses alles häuften sie vor den Eingang der Höhle und stopften so das Loch zu. Dann stiegen sie herunter, fällten die Eiche ganz unten an der Wurzel und stürzten sie hinunter ins Tal. Dann verließen sie die Höhle. Man sagt, daß sie in die Mitte des Eingangs zur Höhle einen eisernen Nagel gehauen hätten, einen großen Nagel — einen solchen, wie man sie an Fuhrwerken hat —, damit sie die Stelle, wo der Eingang zur Höhle war, wieder erkennen könnten, falls sie im Kampf nicht umkämen und zurückkehrten, um sich ihre Sachen von dort zu holen.

Doch sie konnten nicht zurückkommen. Wahrscheinlich verloren sie sich, vielleicht starben sie oder so was Ähnliches. Doch einer blieb übrig, der siebte blieb am Leben. Doch auch der wurde schließlich blind. Man sagt, daß er auf Jahrmärkte ging, du weißt ja, zu den großen Jahrmärkten, sich zu einem Brückenkopf hinstellte, damit die Leute sich seiner erbarmten und ihm Geld gaben. Und dann erzählte er alles, und einer begann es weiterzusagen, und besonders die Einwohner von Meria und Lunca hörten aufmerksam zu und erfuhren, wo die Räuber gewohnt hatten und was sie zurückließen, als sie sich davonmachten. Und wenn man dort nachgrabe und den Eingang zur Höhle öffne, dann hätten die ganzen Gemeinden Gold und Silber in Hülle und Fülle bis in alle Ewigkeit. Und wenn sie dann in die Höhle einträten, sollten sie keine Angst haben, denn auf ein Faß hätten die Räuber eine Schlange gesetzt, die sei jedoch aus Wachs und wäre so gemacht, daß sie sich aufblasen und fauchen könne, um den Menschen Angst einzusagen, damit niemand das Geld und den Schatz von dort wegnehmen könne. Und so blieb diese Geschichte bestehen; und die Alten behielten sie im Gedächtnis und erzählten sie uns. Wie es denn auch sei, es heißt schon seit uralten Zeiten: Wer dort herumstöbere und die Höhle öffne, der werde dort Geld, Pelzwesten, Schafspelze, Stiefel, Schnürschuhe und allerlei Kleider und das Gold finden. Und siehst du, auch jetzt noch kann man ein bißchen erkennen, wo die Eiche aus dem Boden am Felsen emporgewachsen war. Und das war's. Fertig.


Quelle: Rumänische Sagen und Sagen aus Rumänien, Herausgegeben und übersetzt von Felix Karlinger und Emanuel Turczynski, Berlin 1982, Seite 121