STERNE UND ZEICHEN AM HIMMEL


I.


Kometen bedeuten Unglück, sie ziehen Kriege, Seuchen und Mißernten nach sich. In Kometenjahren ereignen sich auch viele Unfälle, besonders bei der Arbeit im Wald.


II.


Unter dem Einfluß von Kometen werden Fliegen und Mücken giftig. Es gibt auch Leute, die daran glauben, daß das Licht von Kometen in den Sümpfen eigene Arten von Fliegen und Bienen zeugt, die giftig sind; man nennt sie "Mörderfliegen" und "Mörderbienen". Sie greifen Menschen an, besonders nachts, und ihre Stiche bringen ein tödliches Fieber. Man kann sich nur durch geweihtes Wachs dagegen schützen.


III.


Einmal ging in einem Kometenjahr — es muß kurz vor dem großen Krieg gewesen sein — mein Vater von einem Besuch bei seinem Bruder nach Hause. Da der Weg sehr weit war und weil er erst spät weggegangen war, kam er nicht mehr bei Tageslicht heim. Er war es aber gewohnt, auch im Finstern seinen Weg zu finden, und da es mitten im Sommer war, machte es ihm auch gar nichts aus. Aber als er in den Wald kam, wurde er auf einer Lichtung von einem Schwärm Bienen überfallen, das waren Mörderbienen. Mein Vater rannte, so schnell er konnte, aber es flogen immer mehr hinter ihm her und setzten ihm mit Stichen zu. Da sprang er in einen Tümpel, den er dort wußte, schwamm ein Stück unter Wasser, und als er wieder auftauchte, waren die giftigen Bienen verschwunden. Er wagte sich aber aus dem Wasser nicht heraus ehe der Morgen gekommen war. Sehr erschöpft kam er heim, mußte sich ins Bett legen und wäre fast gestorben.
Seit damals sind jedoch keine Mörderbienen mehr aufgetreten.


IV.


Steht ein Komet am Himmel, so darf man keine Lebensmittel im Freien stehen lassen, sonst verderben sie. Man darf auch keinen Honig aus den Bienenstöcken nehmen, denn um diese Zeit ist er giftig. Ja, manchmal geben dann sogar die Kühe eine verdorbene Milch, vor allem, wenn sie auf der Weide fressen. Im Stall macht es nichts.


V.


In der Mitte des 18. Jahrhunderts hat man in Transsylvanien beobachtet, daß in einer Nacht im Juni ein auffallend großer Stern am Himmel erschienen ist. Man konnte ihn jede Nacht sehen, und er wurde immer größer und heller. Und zur Zeit des Neumonds erreichte sein Licht eine solche Stärke, daß er alle anderen Sterne weit überstrahlte und fast dem Mond gleichkam.

Da, eines Nachts, als bereits wieder die Mondsichel am Himmel auftauchte, beobachteten viele Menschen, die gerade im Freien waren, daß die Helligkeit des Sternes noch zunahm — von einem Augenblick zum ändern — und dann platzte der Stern und stürzte zertrümmert auf die Erde herunter. Ein Teil der Sternsplitter ist auch in Transsylvanien und in der Moldau heruntergekommen, und wo die Stücke auf die Erde trafen, entsprangen Quellen, und manche führten so viel Wasser, daß es Überschwemmungen gegeben hat.


VI.


In bestimmten Zeiten im Jahr, vor allem im August, kann man viele Sternschnuppen sehen. Bleiben sie am Himmel, so bedeutet ihr Zeichen Glück, fallen sie auf die Welt herunter, so kommt es darauf an, wohin sie stürzen. Fallen sie auf die Erde, so kann man oft später silberne und goldene Brocken dort finden, wo sie herabgestürzt sind. Fallen sie jedoch ins Wasser, so vergiften sie es meist, und Mensch und Vieh, die daraus trinken, werden krank oder müssen gar sterben.


VII.


Das Fest des heiligen und ruhmreichen Propheten Ilie (Elias) des Thesbiten ist am 20. Juli (2. August nach dem alten Kalender). Viele Ikonen — und besonders viele der volkstümlichen rumänischen Glasikonen — zeigen ihn, wie er auf einem feurigen Wagen in den Himmel auffährt. Im Volksglauben ist Elias nicht nur der "Jupiter tonans", der Gebieter über Blitz und Donner, sondern auch über Regen oder Dürre.

Es fällt dem Beschauer der meisten Ikonen auf, daß zwar gelegentlich die untere Szene von pflügenden oder erntenden Bauern eingenommen wird, die obere Szene jedoch meist vor einem Hintergrund mit vielen Sternen spielt. Gelegentlich sind auch Sonne und Mond gleichzeitig am Himmel zu sehen.

Der feurige Wagen — Elias ist manchmal eine Emanation des Feuers schlechthin — hat auch auf die Vorstellung und Deutung aller leuchtenden Phänomene am Himmelszelt eingewirkt. Sternschnuppen werden so einerseits zu Funken von den Rädern des dann am nächtlichen Himmel unsichtbar gedachten Wagens des Elias, andererseits können sie, jedoch seltener, als Tränen des Heiligen gedeutet werden.

Auch die Milchstraße wird von einigen Hirten als Eliasweg bezeichnet; die "Spuren" seiner Fahrt über den Himmel bleiben so eine Erinnerung, wie in den Blitzen und Sternschnuppen seine Gegenwart erblickt wird.


VIII.


In früheren Zeiten erschien gelegentlich ein feuriges Kreuz am nächtlichen Himmel. Es war ein Warnzeichen, das vor drohenden Gefahren warnte. Meist bestand die Gefahr in einem Türkeneinfall. Man beobachtete deshalb eifrig den nächtlichen Himmel. In manchen Landschaften soll man dafür eigens Leute bezahlt haben, die sich darauf verstanden, Veränderungen am nächtlichen Himmel zu erkennen und richtig zu erklären.


IX.


Im Jahre 1914 konnte man in einer Nacht beobachten, daß eine feurige Kugel über den Himmel rollte. Manche Leute meinten, es sei der Wagen des heiligen Elias, andere Leute sagten, das bedeute Krieg. Und in der Tat ist im gleichen Jahr der 1. Weltkrieg ausgebrochen.


X.


Einmal in jedem Jahr — niemand kennt das Datum, weil es sich verschiebt und in jedem Jahr auf einen anderen Tag fällt — führen die Sterne am Himmel einen Tanz auf. Sie bewegen sich so schnell, daß sie in wenigen Augenblicken über den ganzen Himmel gleiten, und stellen sich dann zu bestimmten Gruppen zusammen. Wer sie beim Tanzen beobachten kann, und wer ihre Figuren zu deuten vermag, der wird ein Jahr lang in ganz besonderem Ausmaße Glück haben.


XI.


Vor Urzeiten gab es zwei Monde am Himmel. Der Mond ist im Rumänischen wie in allen romanischen Sprachen weiblich. Eine Mondfrau begleitete immer den Sonnengott am Tage, die andere hütete allein in der Nacht das Feld der Sterne. Jeden Monat aber lösten sie sich ab.

Nun überschritt aber einmal eine der Mondfrauen die Frist, zu der sie sich von dem Sonnenmann trennen und auf das Sternfeld zurückkehren sollte. Die andere Mondfrau wurde sehr eifersüchtig, und je länger ihre Gefährtin ausblieb, um so zorniger. Und als endlich die Mondfrau, die beim Sonnengott gewesen war, zurückkehrte, packte sie die andere bei den Haaren und warf sie hinunter auf die Erde, wo sie ins Meer stürzte. Wütend tobt noch heute oft die gestürzte Mondfrau im Meer, aus dem sie sich nicht mehr befreien konnte.

Es gibt aber auch Erzählungen, welche berichten, daß es zu jener Zeit der zwei Mondfrauen noch keine Sterne gegeben habe, und daß die Sterne entstanden seien, als die eifersüchtige Mondfrau ihre Schwester mit einer Sichel zerstückelt und über den ganzen Himmel zerstreut habe.


XII.


Sonne und Mond waren Geschwister. Die Sonne aber wollte den Mond zum Manne nehmen. Da ging der Mond zum lieben Gott und sagte es ihm. "Sage ihr, sie soll dir einen Mantel machen, von Himmelsfarbe mit allen Sternen darauf gestickt, dann würdest du sie zur Frau nehmen", sagte der Herrgott. Die Sonne aber lief hin und her und suchte und suchte, bis sie einen dafür geeigneten Stoff fand und einen guten Schneider, der diesen Mantel machen konnte. Dann ging auch sie zum lieben Gott und fragte ihn. Und der liebe Gott sagte ihr: "Laß dir auch ein Kleid machen von Himmelsfarbe mit der Sonne und dem Mond daraufgestickt, dann hole dir den Mond." Die Sonne hatte wieder viel zu tun, bis man ihr das Kleid machte. Als sie endlich dem Mond den Mantel brachte, nahm er ihn, verkleinerte sich plötzlich und begann sich von ihr zu entfernen, so daß die Sonne ihn nicht mehr einholen konnte. Und so läuft sie ihm auch heute noch nach. Fast würde sie ihn erreichen können, wenn er voll ist, denn sie kommt ihm ja nahe, aber er, wenn er sieht, wie sie sich ihm nähert, nimmt ab und enteilt ihr.


XIII.


Die Milchstraße, welche sich am Nachthimmel wie ein Nebelstreif mitten durch Sternbilder hinzieht, ist nichts anderes als zerstreutes Stroh. Denn die Mutter Venus stahl einmal in einer Nacht von den Schobern im Hofe des heiligen Petrus Stroh, und als sie eilig damit heimlief, zerstreute sie viel davon.


XIV.


Einen Patensohn bewog einmal der Teufel, zu seinem Paten zu gehen und ihn zu bestehlen. So sollte er seinem eigenen Wohltäter Böses tun, wie es der Wolf in seinen Bezirken tut. Was tat der Junge? Er ging zur Sennhütte seines Paten und, schau, er stahl ihm die Milch. Wie stellte er das an? Er schlich sich zu einer Stunde ein, in der alle Hunde schliefen, und auch die, die ihn bemerkten, bellten nicht; denn sie kannten ihn ja von früher.

Er aber fülle sich die Schläuche, die er mitgenommen hatte, voll mit Milch und schlich dann leise davon, band den mitgenommenen Esel von einem Baum frei, belud ihn mit den Schläuchen und faßte ihn am Halfter. So ging es auf den Weg.

Gott aber, der keinen Schlaf kennt, weder bei Tag noch bei Nacht, und vor dem nichts verborgen bleibt, schickte augenblicks, als er diese Bosheit sah, wie der Patensohn den Paten bestahl, einen Engel hin, der die Milch aus den Schläuchen schütten sollte. Der Engel aber war gewitzter als Gott, denn was sagte er?

— "Wohin soll ich auf einmal alle Milch schütten? Es wird besser sein, sie tropfenweise ausfließen zu lassen, so daß man die Spur dessen findet, der sie gestohlen hat." So sprach er und machte zwei kleine Löchlein in die Schläuche, so daß die Milch langsam ausfloß, und bis der Patenjunge zu Hause ankam, war alle Milch aus den Schläuchen verschüttet.

Als am Morgen der Pate aufstand, sah er, daß die Schaffe und Kannen leer waren. Er forschte hin, er forschte her, er frug den einen, er frug den anderen, die Hirten, die Hunde, nichts! Niemand wußte, wohin die Milch gekommen sei. Als der Alte ein wenig vor das Haus trat, sah er den Weg weiß von Milch. — "Wir haben den Dieb", sagte er, "hier haben wir ihn." Dann verlor er keine Zeit und machte sich auf den Weg, in der Spur der verschütteten Milch, und siehe da, er kam beim Hause seines Patenjungen an. "Daß ihn der Wolf fressen soll, dort in seinem Hause!" sagte er erstaunt und empört. "Mein Patensohn sollte mir diesen Schabernack gespielt haben?" Er konnte es nicht glauben, daß der Patensohn vom Paten stiehlt, aber die Sache war klar wie die Sonne.

"Guten Morgen, Patensohn."

"Willkommen", sprang der Junge auf die Füße, wie wenn ihn eine Bremse in die Nase gestochen hätte. "Was bringt ihr Neues, Pate, was für ein Wind hat euch zu uns hergeführt?" Der Junge versuchte, den Alten irre zu führen.

"Junge, Junge, ich bin nicht gekommen, um mich mit dir zu unterhalten, denn wisse, du hast unsere Gevatterschaft zerstört!"

"Ja, was ist denn los, Pate?"

"Was los ist? Du stellst dich, als ob du es nicht wüßtest? Du hast mir einen bösen Streich gespielt, mir, deinem Wohltäter, wie der Wolf auf seinem Gebiet. Deshalb bin ich da."

"Pate, Pate, tobt hier nicht so wild, denn ich weiß gar nichts. Sagt mir doch, worum es sich handelt?" Dann sagte ihm der Alte, was und wie, aber der Junge wollte es gar nicht hören, leugnete alles und stellte sich unschuldig, wie ein neugeborenes Kalb. Da führte ihn der Pate hinaus, zeigte ihm die Spuren der verschütteten Milch, die immer noch zu sehen waren, und sagte:

"Schau, mein Junge, und jetzt willst du mir noch Sand in die Augen streuen? Wir sehen den Wolf und wir sehen, was er angerichtet hat. Jetzt rede du."

Als der Junge sah, daß er so auf frischer Tat ertappt worden war, schwieg er zuerst und bat dann um Verzeihung.

"Ich habe Ungehöriges getan, tu du es nicht auch, Pate", sagte er. „Auch ich sehe es jetzt ein, daß ich einen ungehörigen Streich an dir verübt habe, aber geschehen ist geschehen."

Was konnte der Pate tun? Er überließ es Gott, ihn zu strafen.

Und als warnendes Wunder blieb von da ab die Milch verschüttet und trocknete nicht, wie du sie auch heute noch siehst. Deshalb nennt man sie: die Milchstraße.


Quelle: Rumänische Sagen und Sagen aus Rumänien, Herausgegeben und übersetzt von Felix Karlinger und Emanuel Turczynski, Berlin 1982, Seite 18