DER PRIKULITSCH IN STOLZENBERG

Einmal kam ich in der Nacht auf dem Weg bei der "Leimkel" (Lehmgrube) herauf. Wie ich vor einem solchen Loche bin, überschlägt sich etwas aus demselben, es war ganz schwarz und dick und wie ein Wolf so groß auf dem Weg, und sich fort überschlagend purzelte es in den Graben, Ich faltete die Hände und betete das Vaterunser. Das half! Es war der Prikulitsch gewesen.

Noch einmal sah ich ihn in der Gemeinde Stolzenburg, wieder gegen Mitternacht. Ich kam eben aus der Gasse von meiner Mutter. Aus einem Hofe kam er heraus und ging über die Straße nur einige Schritte von mir und rollte immer zwei große dunkle Augen. Man sagte, es wäre der galizische Jude, der sich bei uns ein Gewölbe (Geschäft) gemacht hatte. Hat er mich erkannt und gewußt, daß ich stark war, hat er auf einen ändern gewartet oder anderes vorgehabt, wer weiß es? Gesehen habe ich ihn auch da, den Prikulitsch, und auch viele andere, wie er sich in der Gemeinde zur Nachtzeit mit den Dorfhunden biß. Man sagt, deshalb sei das Gesicht des Juden oft ganz zerkratzt gewesen. Einmal trafen ihn die Gendarmen und stachen auf ihn, daß Blut kam. Da war er gleich wieder Mensch und sagte: "Ich danke euch, daß ihr mir das getan! Jetzt bin ich erlöst!"


Quelle: Siebenbürgische Sagen, Herausgegeben von Friedrich Müller 1857, 1885; Neue erweiterte Ausgabe von Misch Orend, Göttingen, 1972, Nr. LXXXI., S. 78