DAS GEISTERTROTZEN AUF DEM FRIEDHOF IN WALLENDORF

An einem frostklaren Winterabend sitzen die Mädchen und Burschen des Dorfes in der Spinnstube beisammen. Es wird von einem jungen Bruschen gesprochen, der an dem Tag begraben wurde. Die Mädchen necken die Burschen, es habe keiner von ihnen den Mut, auf den Friedhof zu gehen und eine Heugabel in das Grab zu stecken. Drei waghalsige Burschen wetten, daß sie den Mut aufbringen würden. Einer von ihnen geht auch gleich mit der Heugabel auf den Friedhof.

Am Grabe angekommen, hört er die Glocke vom nahen Kirchturm Mitternacht schlagen. Die Geisterstunde ist da. Ein Schauer überläuft ihn. Der Vollmond malt Schatten auf den Schnee. Der Bursche steckt in seiner Angst die Gabel rasch in das Grab und will weglaufen. Er kann aber nicht, der Tote hält ihn fest. Vor Schreck fällt er tot um. Er hatte die Heugabel durch seinen Sir (Mantel) in das Grab gesteckt.


Quelle: Siebenbürgische Sagen, Herausgegeben von Friedrich Müller 1857, 1885; Neue erweiterte Ausgabe von Misch Orend, Göttingen, 1972, Nr. LXXXVII, S. 81