§. 23. Handschriften.

Die Untersuchung der Handschriften ist für die Kritik der Authenticität und Integrität der alten Lieder sehr wichtig und erfordert dieselbe ein eigenes diplomatisches Studium. Anfänglich waren von den Nibelungen nur wenig Handschriften bekannt. Aber bei vermehrter und geschärfter Aufmerksamkeit vergrößerte sich die Zahl derselben nach und nach bedeutend und haben wir v. d. Hagen's, unermüdlichem Eifer vornehmlich eine sorgfältige Vergleichung der Handschriften zu danken, deren Resultat gewesen, daß die Hohenems-Laßbergische und nächst ihr die St. Galler, ein schön gemalter Codex, die ältesten und correctesten sind. Ueber die mannigfaltigen und oft bedeutenden directen Abweichungen, indirecten Veränderungen, Schreibweisen u. s. f. der verschiedenen Handschriften sehe man v. d. Hagens Einleitung in seine Ausgabe des Liedes 5. XXX. - L.II. und in seiner größeren Ausgabe die unter dem Text abgedruckten Varianten.

Ueber diese diplomatische und bibliographische Seite unserer Literatur ist vorzüglich v. d. Hagens und Büschings Grundriß einer Geschichte der Deutschen Poesie. 1812. 8. zu empfehlen, wo man im ersten Abschnitt das hieher gehörige mit der größten Genauigkeit und Sorgfalt - in Bezug auf unser ganzes Heldenbuch - angegeden findet. Merkwürdig ist, daß wir keinen alten Druck der Nibelungen besitzen. Die Hohenems-Laßbergische Handschrift ist die älteste um 1200; die Hohenems-Münchener ist aus der Mitte des dreizehnten Jahrh.; die Prunn-Münchener um 1300; die Hundeshagensche von 1426 und die Wiener von 1517.

Quelle: Das Heldenbuch und die Nibelungen, Karl Rosenkranz, Halle 1829, S. 50f
© digitale Version www.SAGEN.at