a, Rother.

Das älteste Gedicht dieses Kreises ist wohl das vom König Rother, welches im äußeren Gange vielfältig mit Chaudrun übereinstimmt und das Weib durchaus zum Princip hat, mit welchem das andere Princip der Lehenstreue hier auf das Innigste verschlungen ist. Rother, der vielleicht eine Erinnerung an den Lombardischen König Rotharis, läßt um die schöne Tochter des Byzantischen Kaisers, Helena, werben. Allein die Werbung wird abgewiesen und seine treuen Mannen, des alten Berchtungs von Meran Söhne, werden alle zwölf eingekerkert. Als Rother dies erfahrt, sitzt er drei Tage und drei Nächte vor Schmerz stumm auf einem Stein, verkleidet sich dann als Kaufmann , nimmt den Namen Dietrich an, wie der mit ihm identische Osantrix in der Wilkinasage den Namen Friedrich, ruft seine Riesen Asprian, Widolt (Mittumstange), Nordian u. a. herbei, und fährt nach Konstantinopel mit dem Vorgeben, von Rother vertrieben zu sein. Dem Kaiser macht er sich sehr beliebt. Er ist freigebig und in seiner Ironie auf die Byzantinische Zärtlichkeit und Weichheit schonend. Für den Kaiser Konstantin gewinnt er den Sieg gegen den Baruch Ymelot von Babylonien, wobei auch Jerusalem vorkommt, und entführt ihm hierauf seine Tochter durch listige Verlockung auf das Schiff. Allein der Kaiser läßt sie ihm von Bari in Italien wieder durch List eines Spielmannes entführen. Nun zieht Rother wieder nach Griechenland und legt seine Mannen bei Byzanz in einen Wald zum Hinterhalt. Er selbst schleicht sich - wie Hornkind, wie Reinhold von Montalban mit seinen Brüdern u. a. - als Bettler in die kaiserliche Burg, giebt sich der Helena zu erkennen, soll aber, auch erkannt, gehenkt werden. Schon - wie Morolf bei Salomo - unter dem Galgen stehend, giebt er seinen Leuten ein Zeichen mit dem Horn, worauf diese vorbrechen, ihn befreien und mit ihm das kaiserliche Heer schlagen. Die Folge ist eine Sühne und die Heimführung Helena's, mit welcher er dann den Pipin erzeugt, den er zu Achen krönen läßt und darauf (wie Wolfdietrich, wie Wilhelm von Oranse, wie noch Karl der Fünfte) in ein Kloster geht.

Das Gedicht, 5185 zweireimige Verse, ist abgedruckt in den Deutschen Gedichten des Mittelalters, herausgeg. von v. d. Hagen und Büsching. Berlin. 1808, 4. Zunächst schließt sich hieran Wittich von Garten (S. Büschings wöchentliche Nachrichten. Bd. IV. S. 197. f.)

Quelle: Das Heldenbuch und die Nibelungen, Karl Rosenkranz, Halle 1829, S. 40f
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