DIE BLINDEN HESSEN

Einst soll die Stadt Mühlhausen schwer von dem Hessenvolke bedrängt und belagert worden sein. Schon waren die meisten Verteidiger der Stadt gefangen, tot oder verwundet, und der nächste Sturm mußte die Belagerer in den Besitz derselben bringen. Da gab die Not den Mühlhäusern einen klugen Gedanken ein. Im Dunkel der Nacht wurden die Mauern der Stadt mit hölzernen Pfählen oder Pflöcken bewehrt und die Pflöcke gleich lebendigen Söldnern geschmückt und gerüstet. Aber zwischen diesen hölzernen Soldaten bewegten sich hin und wieder lebendige Krieger und drohten spottend hinab in das Lager der Feinde. Als nun bei anbrechendem Morgen die staunenden Hessen die neuen Rüstungen und die zahlreichen Streiter und Verteidiger der Mauern gewahrten, da verzweifelten sie an ihrem Siege und zogen kleinmütig von dannen. Davon sollen sie den Namen der dummen oder blinden Hessen bekommen haben. (Thüringen)


Quelle: J. G. Th. Grässe, Sagenbuch des Preußischen Staats, Bd. I, Glogau 1867, S. 371 f. , Nr. 434 (nach: Thüringen und der Harz, Bd. VI, S. 35).
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 78, S. 49