DER ESEL ALS DUDELSACKPFEIFER

In der alten Hamburger Domkirche, die nun schon lange abgetragen ist, stand seit alters ein merkwürdiger Grabstein, der als Bild einen Esel zeigte. Und was das seltsamste an diesem Esel war, er stand aufrecht auf den Hinterbeinen und hielt in den Vorderpfoten gar artig eine Sackpfeife, auf der er anscheinend recht lustig blies. Mit diesem Esel hatte es aber folgende Bewandtnis:

Ein reicher Kaufmann, der wohl zur Zeit des großen Krieges gelebt haben mag, vermaß sich einstmals im Übermut, er könne nie verarmen; eher möchte ein Esel auf der Sackpfeife spielen, als daß sein Hab und Gut ihm verloren gehen könne. Aber der Mensch denkt, und Gott lenkt: Ehe er sich's versah, war er ein ganz armer Mann geworden und mußte in bitterer Not sterben. Da setzte man ihm den pfeifenden Esel zum Grabstein. (Hamburg)


Quelle: L. Mackensen, Hanseatische Sagen, Leipzig 1928, S. 68, Nr. 105 I. A: um 1880
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 42, S. 34