DER NAME FRANKFURT

Der Kaiser begab sich von Bamberg zunächst nach Würzburg, dann nach Frankfurt, und hier verbrachte er in Festesfreude das Geburtsfest des Herrn. Die Herkunft dieses Ortsnamens soll dir nicht länger unklar bleiben, lieber Leser; deshalb will ich dir jetzt erzählen, was ich von glaubwürdigen Männern darüber gehört habe. Unter der Regierung Kaiser Karls des Großen, des Sohnes König Pippins, kam es zwischen den Seinen und unseren Vorfahren zum Kriege; in diesem Kampfe wurden die Franken von den Unsrigen besiegt; als sie nun, unkundig einer Furt, über den Main zurück mußten, ging vor ihnen eine Hirschkuh hinüber und zeigte ihnen so durch Gottes Erbarmen gleichsam den Weg; ihr folgten sie und erreichten frohen Mutes das rettende Ufer. Danach heißt der Ort Frankfurt. Als sich der Caesar auf diesem Feldzug schon von den Feinden überwunden sah, wich er als erster zurück und erklärte: «Es ist mir lieber, daß die Leute mich schmähen und sagen, ich sei von hier geflohen, als ich sei hier gefallen. Denn solange ich lebe, darf ich hoffen, die mir angetane schwere Schmach zu rächen.»


Quelle: Thietmar von Merseburg, Chronicon VII, 75, ed. W. Trillmich, Darmstadt 1957, S. 437, datiert auf das Jahr 1017.
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 59, S. 41