DER GLOCKENGUß ZU BRESLAU

Endlich muß ich auch melden von der großen Glock' zu St. Maria Magdalena, welche (wie auch alle anderen) im Gewicht gehet und durch drei oder vier Mann kann gezogen werden. Wann man fünfzig Schläge zeucht, so gehet sie hernach noch fünfzig Schläge von sich selbst, aber mit geringer Hilf; der Schwengel wird allezeit im vollen Schwung vom Meßner gefangen und angezogen; auch wird zwischen solchem Läuten wie bei einer Musik etliche Schläge pausierst und darauf wieder frisch angefangen; so hat es auch ein Gesetz, wie viel zur Predigt, Vesper und zum Leichen Schläge müssen geschehen, diese zählet der Meßner allezeit ab; was nun mit Standespersonen, wird mit diesen zwei großen Glocken zum Leichen nit geläutet, aber allen armen Sündern, wann sie jetzt vom Rathause herunterkommen, wird mit der St. Marien Magdalenen großen Glocken geläutet, und wie Bericht erhalten, soll es daher kommen: Nachdem der Gießer diese Glocke hat gießen sollen, ist er zuvor zum Essen gangen, dem habenden Lehrjungen aber bei Leib und Leben verboten, den Hahnen am Schmelzkessel nit anzurühren. Dieser aber aus Vorwitz hat's probieren wollen, wie es aussehe, und ist wider Willen ihm der Hahn ganz herausgefallen und das Metall eben in die zubereitete Glockenform geloffen; der Lehrjung', höchst bestürzet, weiß nit, was er tun soll, wagt's doch endlich und gehet weinend in die Stuben, erkennt seine Übeltat und sagt's dem Meister und bittet um Gottes willen um Verzeihung. Der Meister aber voller Zorn ersticht den Lehrjungen auf der Stell'; als nun der Mann voll Jammers hinauskommt und nach Verkühlung abräumet, befindet er die Glocke ganz perfekt, kehret darum mit Freuden wieder in die Stuben, da findet er erst, was er vor Übels getan, weil der Lehrjung' gestorben, worüber der Meister eingezogen und nach etlicher Zeit zum Schwert condemniert worden; weil nun eben diese Glocken ist aufgezogen worden, hat er gebeten, er möchte ihre Resonanz auch wohl hören, wann er die Ehr vor seinem letzten End von den Herren haben könnte, daß man sie ihm zu Gefallen läuten wollte, welches ihm auch willfahrt worden, und solle also consequenter noch dato allen Malefiz-Personen sie geläutet werden, wie ich dann selbst unterschiedlichen Malefikanten sie hab'läuten hören.


Quelle: Ungarischer oder Dacianischer Simplicissimus, 1683, Kap. 8 (Wiener Neudrucke Bd. 3, Wien 1973, S. 37)
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 52, S. 38