Punker von Rohrbach.
Ludwig III., Pfalzgraf bei Rhein, zubenannt der Bärtige, hatte unter
seinem riesigen Volk einen gewissen Punker von Rohrbach, bei Heidelberg
gebürtig, welcher im Geruch eines Zauberers stand, weil er die Armbrust
mit solcher Meisterschaft führte, daß er auch das kleinste
und fernste Ziel niemals verfehlte. Dem Pfalzgrafen selbst kam der Mann
unheimlich vor, er fürchtete sich fast vor demselben, so treffliche
Dienste er ihm auch leistete, so im Feld wie auf der Jagd. Um ihn nun
in die Falle und zum Geständnis seiner Zauberkünste zu bringen,
befahl ihm der Pfalzgraf eines Tages, seinen eigenen Knaben zum Ziele
zu nehmen und ihm einen Pfennig vom Barett zu schießen, ohne dieses
oder den Knaben zu verletzen. Erfüll' er diese Bedingung nicht, so
sei er des Todes. Lange weigerte sich Punker, weil der Teufel ihm möglicherweise
die sonst so sichere Hand fehllenken könne und er alsdann diesem
verfallen sei. Alles Bitten und Beschwören scheiterte an des Pfalzgrafen
hartem Sinn. Der Knabe mit dem Barett auf dem Kopfe und dem Pfennig drauf
mußte sich an das Ziel stellen. Nachdem der unglückliche Vater
einen Bolzen auf die Armbrust gelegt hatte, nahm er einen zweiten, steckte
ihn in sein Koller und schoß dann glücklich den Pfennig herab,
ohne das Barett auch nur zu streifen. Auf die Frage des Pfalzgrafen, zu
welchem Zwecke er einen zweiten Pfeil in sein Koller gesteckt habe, gab
ihm Punker zur Antwort: "Wenn ich, von dem Teufel ob solcher Versuchung
mißlenkt, meinen Knaben erschossen hätte, dann, Herr, würde
ich Euch selbst mit diesem zweiten Pfeil durchbohrt und also meinen Sohn
gerächt haben, weil ich doch selbst dem Tode geweiht worden wäre."
(Bayern)
Quelle: Alexander
Schöppner, Sagenbuch der Bayerischen Lande, München 1852 / 1874,
Nr. 949.
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen,
Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 609, S. 130 f.