DIE MÜHLE GROTTI

In Dänemark herrschte einst der König Frodi. Er war von allen Königen im Norden der mächtigste, und während seiner Regierung war in seinem ganzen Lande vollkommener Friede. Da tat kein Mensch einem ändern ein Leid an, auch gab es keine Räuber und Diebe. Einst zog er nach Schweden, um den König Fjölnir zu besuchen. Daselbst kaufte er zwei Mägde, die hießen Fenja und Menja. Beide waren groß und stark, denn sie stammten aus dem Geschlecht der Bergriesen; als Walküren hatten sie auf Schlachtfeldern ihres Amtes gewaltet, auch hatten sie die Gabe, in die Zukunft zu sehen.

In jener Zeit wurden in Dänemark zwei gewaltige Mühlsteine gefunden, die waren so groß und schwer, daß niemand stark genug war, sie zu drehen. Aus diesen Steinen erbaute ein Mann namens Hengikjöpt eine Mühle und schenkte sie dem König Frodi. Die Mühle hieß Grotti'; sie ruhte auf Schiffen, und ihre Steine hatten die Eigenschaft, alles zu mahlen, was ihr Besitzer wünschte. Zu dieser Mühle ließ der König die beiden starken Mägde führen und befahl ihnen, für Frodi Gold, Frieden und Glück m mahlen. Tag und Nacht mußten sie nun die gewaltigen Steine drehen und durften nur so lange ruhen oder schlafen, wie der Kuckuck sein Rufen unterbricht. Über die schmähliche Knechtsarbeit ergrimmt, stimmten die Mägde ein Rachelied an, und statt Frieden mahlten sie Unfrieden auf der Mühle. Sie sangen, wie ein feindliches Heer herbeiziehe und Frodi der Tod nahe sei. Dabei drehten sie die Mühle so mächtig, daß die Mahlsteine zerbarsten. Wie sie es gesungen hatten, geschah es. Bei Nacht landete der Seekönig Mysing, erschlug den Frodi und machte gewaltige Beute. So endete Frodis Glück und Herrschaft.


Quelle: Oskar Ebermann, Sagen der Technik, o. J., S. 49