ZAUBERSPIEGEL

Schon lange, bevor der erste der schon im frühen Altertum bekannten Metallspiegel geschaffen wurde, konnte der Mensch das Wunder erleben, sein Bild im stehenden Wasser zu sehen. So kommt es, daß schon in alter Zeit die Sage von Spiegeln und ihren wunderbaren Eigenschaften erzählt. So wird berichtet, daß Alexander der Große auf dem Leuchtturm von Alexandrien einen Spiegel aufstellen ließ, in welchem man das ganze Land Rum, die Inseln des Meeres sowie alles, was die Bewohner derselben taten, nebst den ankommenden Schiffen sehen konnte.

Ein besonderer Zauberspiegel, der vom Kaiser Leo dem Philosophen verfertigt worden war, befand sich in der Kaiserburg zu Konstantinopel. Man konnte darin alles, was auf der Welt vorhanden war oder vorging, ja was auch nur beabsichtigt war, auf das deutlichste sehen. Einstmals überbrachte ein Bote dem Kaiser Michael III., der sein Leben in Ausschweifungen und Schwelgerei hinbrachte, die Nachricht, daß man in dem Spiegel deutlich sehen könnte, wie die Türken zu einem Kriegszuge gegen Konstantinopel rüsteten. Der Kaiser saß gerade wieder mit seinen Genossen an der Tafel und wollte sich in seinem Behagen nicht durch Regierungssorgen stören lassen, deshalb schickte er einen Boten ab und befahl ihm, den lästigen Spiegel in kleine Stücke zu zerschlagen.


Quelle: Oskar Ebermann, Sagen der Technik, o. J., S. 75