Johannes Chaldar

Im Bündnerland, im weidenreichen Tal Schams, sollen einst die Schloßherren der Bärenburg und von Fardün unmenschliche Bösewichte gewesen sein. Sie trieben es mit dem Volk, wie's ihnen beliebte  und behandelten es aufs schändlichste. Aber die armen Leute nahmen es hin und duldeten es schweigend.
Jedoch einer war unter ihnen, der sich nicht gar alles gefallen lassen wollte. Er hieß Johann Chaldar.
Als die Herren von Fardün eines Tages zwei Rosse in seine Saat treiben ließen, ergrimmte der Bauer so, daß er die Rosse erschlug. Dafür mußte er in Ketten im Burgverließ dulden, bis es den Seinen gelang, ihn mit einem großen Lösegeld und tausend Tränen zu befreien. Wie nun Chaldar wieder friedlich bei seinen Lieben wohnte und eben in seiner Hütte mit ihnen zu Mittag aß, trat der Herr von Fardün herein. Alle begrüßten ihn ehrerbietig. Er aber sah hochmütig über sie hin, trat näher an den Tisch heran und spuckte ihnen in den Brei.
Da flammte Chaldars Zorn gewaltig auf. Er packte den Freiherrn im Nacken und stieß seinen Kopf in das heiße Mus hinein. Nun friß den Brei, den du gewürzt hast!  - und schlug ihn nieder. Dann rannte er aus der Hütte und rief das Volk auf.
Das rottete sich zusammen, und bald ging's, schwer gerüstet auf die Burgen der übermütigen Regenten los. Diese Raubhorste wurden eingenommen, verbrannt, und also hatte die Herrschaft der frechen Edelleute für immer ein Ende.
Meinrad Lienert


Quelle: Schweizerland. Lese- und Arbeitsbuch für das sechste Schuljahr. Bearb. von der Kantonalen Lehrmittelkommission II. Frauenfeld 1949, 24, Emailzusendung von Burghart Häfele am 3. März 2006