299. Der Büscheler. Der Faser. Das Wetterfasen.

Bei bevorstehendem Unwetter, wenn bereits der Wind über die Gräte pfeift, in Spalten und Felsklüften sich verfängt und seltsame Töne hervorbringt, hören die ruhenden Hirten in der Nacht den "Faser" (Hirt, Küher). "Fasen" heißt: die Herde mit mächtigen, gedehnten Lauten in der weiten Alp locken und sammeln: "Chüa, fé, fé! Hoi, joh! Büüsch, Büüsch!" Meistens hört der Faser "sich selber fasen", d, h. seinen Doppelgänger rufen. Der "Büscheler" ist der Kälberhirt, - Wenn der Faser oder der Büscheler in der Nacht ruft, dann müssen die Hirten das Lager verlassen und die Herde sammeln, sonst geht alles zu Grunde. Meistens ist am kommenden Morgen die Alp im Schnee. Die Alpler beschwören das Wetterfasen.

Um Mitternacht fragte der Küher den alten Sennen Peter Zeller, als sie nebeneinander zu Fursch auf der "Tril" lagen: "Hörst du nicht auch fasen?" Der Senn antwortete: "Ich habe es schon eine Weile gehört; kennst du den Faser nicht an seiner Stimme? Du bist es ja selber." Der Küher erkannte wirklich seine eigene Stimme, und es schauderte ihn. Am Morgen lag alles im Schnee.
J. B. Stoop.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 299, S. 166
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, August 2005.