285. Das Dorfschwein.

Von diesem wissen besonders die "Stubetiknaben" zu erzählen. Bei ihren nächtlichen Ausgängen auf Feld und Waldwegen, am liebsten aber in den Dörfern, ist unversehens ein Schwein bei ihnen, dessen sie sich nur mit größter Mühe entledigen können. Schon manchem ist das Dorfschwein gewalttätigerweise zwischen den Beinen durchgesprungen und hat ihn bis zur weitentfernten Wohnung oder bis zu einer Scheune verfolgt; es würde gewiß noch weiter nachgefolgt sein, wenn es überhaupt eine Wohnung für Menschen oder Vieh betreten dürfte. Dagegen ist es hie und da vorgekommen, daß das Dorfschwein zu einem Stubenfenster oder, auf einer Leiter stehend, zu einem Scheunentor hineingeschaut hat, um den dorthin geflüchteten Junggesellen zu erspähen. In den Stepfenwiesen wurde sogar einmal einer vom Dorfschweine belästigt, das eine Schar junger Ferkel bei sich hatte. Er hieß aber die Kobolde ins Teufels Namen abziehen, worauf sie mit Grunzen und Quieken sich schnell entfernten und im nahen Walde verschwanden.
J. Natsch

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In Altstätten soll es einmal sogar in die Kirche eingedrungen sein, und als der Geistliche und der Mesner es einfangen wollten, kam der erste rittlings auf dasselbe zu sitzen und wurde von ihm weggetragen.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 285, S. 158
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, August 2005.