491. Der Geist in Zuzwil.

In der Nähe von Zuzwil ging vorzeiten ein Geist in Gestalt eines brennenden Mannes um und kam öfters bis zu den äußersten Häusern des Dorfes, aber nie weiter als bis zur Dachtraufe. Die Leute wünschten den Geist zu erlösen, und eine besonders fromme Person fragte hierüber den Pfarrer um Rat. Dieser sagte, sie solle für den Geist drei Messen lesen lassen; alsdann werde er zu ihr kommen und ihr für die Erlösung danken. Nur solle sie sich hüten, ihm alsdann die Hand zu bieten. Nach einigen Tagen erschien der erlöste Geist und streckte ihr mit den Worten: „Chum bald noh" dankend seine Hand entgegen. Eingedenk der Warnung des Pfarrers reichte ihm die Person, die eben mit Spinnen beschäftigt war, nicht die Hand, sondern die Kunkel des Spinnrades dar. Der Geist ergriff diese und war verschwunden. Das Werg an der Kunkel war ganz versengt. Die Frau starb bald darauf.
G. Keßler, (Schweiz. Archiv für Volkskunde.)

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 491, S. 290
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