197. Der Geldschatz auf Freudenberg

Aus einem der Türme sollen unterirdische Gänge zur Burg Wartenstein und unter dem Rhein durch nach der Burg Brandis in Maienfeld geführt haben. Ein Herr Kühni von Ragaz sei einmal in letzterm bis in die Gegend des Ochsenbrunnens vorgedrungen.

Einst herrschte auf Freudenberg ein Freiherr, der sich mehr auf unredlichem als redlichem Wege großen Reichtum erwarb. Sein vieles Geld barg er in einer großen, mit Eisen beschlagenen Kiste im Turme, nahe beim unterirdischen Gange.

Einmal sah der Freiherr von seiner Burg aus einen Bauer mit zwei schönen Ochsen auf den Spitzäckern pflügen und sandte sogleich einen Knecht ab, das Gespann dem Manne wegzunehmen.

Der Bauer aber erschlug den Knecht und verscharrte ihn auf dem Acker. Darüber entstund eine blutige Fehde. Der Freiherr wollte den Täter gefangen nehmen; aber die andern Bauern der Umgegend nahmen ihren bedrohten Genossen in Schutz, eroberten die Burg und machten den verhaßten Freiherrn samt seiner Tochter und seiner Besatzung nieder.

Seither sitzt der Freiherr im Verborgenen als zottiger, schwarzer Hund auf seiner Geldkiste, und seine Tochter leistet ihm in der Gestalt einer Schlange Gesellschaft. Über ihnen haben schon längst im verfallenen Gemäuer der einst so schönen Feste Nachteulen und Krähen Wohnung genommen, und die offenen Räume, auf denen früher freundliche Wohnungen und blumenreiche Gärten sich befanden, sind eine magere Ziegenweide geworden.
I. Natsch.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 197, S. 95f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juni 2005.