131. Das Grabengröll
Das Feld zu beiden Seiten der Landstraße zwischen Sevelen und Räsis wird "der lange Graben" genannt. Auf mehr als eine halbe Wegstunde stand hier vor dreißig Jahren noch kein anderes Gebäude als eine alte Scheune, der Grabenstall. Diese Straßenstrecke wurde zur Nachtzeit nur in Notfällen benützt oder etwa von Leuten, die "keine Religion im Leibe hatten"; denn es war hier immer ungeheuer.
Durch die Luft - bald ferner, bald näher - ging ein Pfeifen und
Brüllen, ein Heulen und Hundegebell, ein Zischen und Tosen; aus diesem
Lärm waren deutlich Pferdegeröll und -Geschell vernehme bar,
sowie auch Pferdegewieher. Die ganze Nachtmusik war so ohrbetäubend,
daß einem Sehen und Hören verging. Was es war, wußte
niemand, aber man nannte es das "Grabengröll". Beim Grabenstall
nahm es seinen Anfang, und beim "Grüzimuosriet" hörte
es auf.
Heinrich Hilty.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 131, S. 62
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.