215. Kuhstapfen

Der Glaube an die Wirksamkeit des "Alpspruches" war bei vielen Leuten, sogar bei den Alpknechten von Ladils verschwunden. Gegen Neige des Sommers beschlossen sie an einem Abende, ihn zu unterlassen, und so geschah es auch.

Als sie am nächsten Morgen zum Melken eintreiben wollten, gewahrten sie mit Entsetzen, daß keine einzige Kuh auf dem Satz vorhanden war. Sie begaben sich nach allen Seiten, um das verlorene Vieh zu suchen. Den steilen Weg gegen Vättis hin ging der "Küher", der den Alpspruch hätte sprechen sollen. Ihm entgegen kam eine Kuh aus dem Tale herauf und nach ihr eine zweite, dritte u.s.f. Die meisten hatten Kornähren zwischen den Hufen. Nun wußte er, wo das Vieh Übernacht gewesen war. Nachkommende Bauern meldeten auch, man habe außerhalb Vättis, in den Kornäckern, Kuhstapfen gefunden.

Die Gegend heißt bis auf den heutigen Tag "Kuhstapfen".
L. Jäger.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 215, S. 104f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juni 2005.