139. Das Plattenwibli

Der Seveler Zimmermann S. G. ging einst nach Oberschan "zur Spinni". Als er früh morgens durchs Seveler Holz heimkehrte - es war noch nicht Tag - sah er im Buchenwalde, nahe am Wege, ein Weibchen und fragte verwundert, was es so früh da mache. Sie antwortete, aber ohne sich umzukehren, sie sammle Laub für die Schweine. Jetzt erst gewahrte er, daß sie an einem Fuße einen roten, am andern einen schwarzen Strumpf trug. Es war das bekannte "Plattenwibli", das bald darauf starb. Als man mit dem Sarge vom Hause wegzog, fragte ein Mädchen seine ins Haus gekommene Mutter, wen man begrabe und sagte, als diese geantwortet: "Nein, das Plattenwibli sitzt ja in der Küche auf der Herdplatte. Schau nur!" Die Mutter hieß das Kind schweigen und folgte dem Leichenzuge. Im Hause aber "geistete" es von da an.
Dr. Henne-Am Rhyn, Deutsche Volkssage.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 139, S. 66f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.