212. Der Rat des "wilden Mannli"

Die Zwerge gingen barfuß und sahen oft neidisch auf die Schuhe, welche die andern Menschenkinder trugen. Ein witziger Vättner kam auf den Gedanken, einem solchen "Kleinen" ein eisernes Paar Schuhe machen zu lassen, dieselben mit einer Kette zu verbinden und mit einer weitern an sein Häuschen zu befestigen. Er glaubte, dadurch ein Geheimnis wie etwa das Gewinnen des Goldes aus dem Schotten zu erfahren. Und wirklich, es gelang ausgezeichnet. Am Morgen steckte ein "Mannli" mit seinen Füßen in der Falle. Es bat flehentlich, man soll es freilassen, was denn auch geschah, nachdem es die anwesenden Vättnerberger versichert hatte, es wolle ihnen einen guten Rat erteilen. Kaum der Fesseln entledigt, sprang es auf ein "Gufer" (Felstopf in einem Berggute) und rief, so laut es konnte: "Bei gutem Wetter nehmt den Mantel mit; bei Regenwetter tut, was ihr wollt!" Dann verschwand es und ward nicht mehr gesehen.
L. Jäger.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 212, S. 103
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juni 2005.