136. Die Schatzgräber

Im Gebiete der Gemeinde Sevelen steht die Ruine Herrenberg, in welcher nach dem Volksglauben noch große Schätze zu finden wären.

Vor einigen Jahren machten einige Männer den Versuch, diese zu heben. Sie verschafften sich eine Schrift, mit der man zaubern kann, warteten das richtige Kalenderzeichen ab, den "Wedel" und den "obsigänten" Mond, und brachten dann einen Tag in einem abgelegenen Hause zu, wo sie bei verschlossenen Türen und Fensterladen die nötigen Vorbereitungen trafen, wozu namentlich auch ein strenges Fasten gehörte. Als dann die Mitternachtstunde nahte, stiegen sie den Schloßhügel hinan und gruben im Weinberg ein großes Loch. Es musste aber an dem Zauber etwas gefehlt haben; denn als sie schon beim Schlag der Pickel einen hohlen Ton vernahmen und ganz deutlich das Klingen des gemünzten Goldes hörten, erschien ein schwarzer Pudel mit feurigen Augen und rauchendem Rachen, und die erschrockenen Männer ergriffen die Flucht.

Am Morgen sah man nichts mehr als das große Loch, das gegraben worden war und das der Besitzer des Weinberges wohl oder übel selbst wieder zudecken mußte.
Heinrich Hilty.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 136, S. 64
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.