109. Der schwarze Mann ohne Kopf

Ganz "unghür" ist es auf dem Riet zwischen Werdenberg und Haag, hauptsächlich aber beim Galgen.

Dort sieht man sehr oft einen schwarzen, riesengroßen Mann, der den nächtlichen Wanderer eine Strecke Weges begleitet, dann aber verschwindet.

Ein Werdenberger hatte sich, vom Feldkircher Markt zurückkehrend, so stark verspätet, daß er erst um die Mitternachtsstunde in die Nähe des Galgens kam. Da erblickte er vor sich einen großen Mann, welcher schwarze Kleidung und einen Hut mit auf den Nacken gedrückter Krempe trug. Der Unheimliche kam immer näher. Zurücklaufen mochte der Werdenberger nicht, also in Gottes Namen vorwärts und Mut und Anstand gezeigt! "Guten Tag!" rief er ihm entgegen und zwar zweimal. Als er keinen Gegengruß erhielt, wurde er zornig und erhob seine Rechte zu einem wuchtigen Faustschlag. In Folge dessen fiel der Hut des Schwarzen zu Boden. Und nun? Der Unheimliche hatte keinen Kopf, und zwischen den Schultern saß der noch blutende Strunk des Halses.
Heinrich Hilty.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 109, S. 53
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.