143. Die weiße Frau

In einem beim großen Brand von 1892 verschont gebliebenen altertümlichen Hause in Sevelen geht eine weiße Frau herum, die aber ein bösartiges Wesen ist. Als sich die blühende neunzehnjährige Tochter des Hauses einst zur Nachtzeit in den Keller begab, erschien ihr die Frau und reichte ihr die Hand. Von da an war die Tochter nicht mehr gesund; sie welkte dahin und starb bald. Freundinnen, welche sie am Krankenlager besuchten, bemerkten immer an ihrer rechten Hand einen Handschuh. Wahrscheinlich hat sie also die Unselige gebrannt, wie es die "Züsler" machen.
Heinrich Hilty.

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Die Göttermutter Frla, Frigg hat dem Freitag den Namen gegeben, der zwar ein Unglückstag sein soll, obschon sie selbst als eine freundliche Erscheinung auf uns gekommen ist. Der Freitag wurde zum Unglückstag durch den Tod Christi. Freia ist zur Mutter Maria geworden; ihr ist das Marienkäferchen geweiht.

Herrgottstierli, Herrgottstierli, flüg über de Rhi,
Und säg Vater und Mueter, es soll morn guet Wetter si!

Freia ist die "weiße Frau", deren die Sage viele kennt. Das Volkslied spricht sogar von drei Mareien, den drei Nornen oder Schicksalsgöltinnen, den Spinnerinnen.

Auch Berchta und der "Berchtelistag" erinnern an Freia, somit auch die Sage von der glücklichen Zeit, da "die Königin Berta spann."

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 143, S. 68
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.