121. Wildenmannslöchli
Unweit den Buchserberghäusern ist das Wildenmannslöchli, eine Felsenhöhle, welche, wie viele erzählen, eine halbe Stunde weit in den Berg hineingeht. Unter dem Boden werden aber Distanzen meistens überschätzt. Die Höhle verzweigt sich in einer Tiefe von etwa hundert Schritten in drei kleinere Röhren und Spalten, welche nicht mehr passiert werden können. Ihr Name sagt schon, daß dort die wilden Männli gewohnt haben sollen.

Ein Bauer pflügte mit seinen Taglöhnern in der Nähe des Wildenmannslüchli einen Acker. Sie hörten tief unter der Erde, wie die wilden Männli mit Brotbacken beschäftigt waren; sie vernahmen ganz gut das Rumpeln der Kübel, das Prasseln des Feuers. Die Taglöhner riefen spassend: "Bringet uns auch Brot." Bald gingen sie zum Mittagessen beiseite, und als sie wiederkamen, erstaunten sie ob der Menge irdener Brötlein, Wecken und Zelten, welche die wilden Männli während ihrer Abwesenheit ihnen gebracht hatten. Die wilden Männli bereiteten nämlich ihr Brot aus roter Tonerde, dem Lehm, wie solcher an unsern Berghängen gefunden wird. Nicht umsonst litten sie sehr oft an Zahnschmerzen!
Heinrich Hilty.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 121, S. 58
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.