345. Die Zwerge in der Närschner Alp.

Die Alpknechte von Bärschis hatten es einst bequem; die Zwerglein haben für sie gehütet, gemolken und gebuttert. Am Sonntag aber kam der „Fißler" (der Gehilfe des Ziegenhirten) mit einem neuen Hut und „Tschöpli" auf die Alp. Das Zwerglein fand Gefallen an diesen Dingen. Nach vierzehn Tagen legten ihm die Alpknechte ein ganzes „Häsli" (Kleidchen) hin und meinten es damit zu erfreuen, daß es ihnen weiter so eifrig dienen werde. Dieses machte sich aber auf und davon und ließ sich von jenem Tage an nie mehr blicken.
Nach Dr. A. Henne.

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Einmal schien ein Zwerglein, das wie alle seines Namens höchst einfach gekleidet war, ein sehnliches Gelüsten nach einem eben so schönen und guten Gewände zu tragen, wie die Hirten von Bärschis sie besaßen.

Der Hirte sorgte dafür, daß dem Männchen ein Brot und ein schönes, neues Wams verehrt wurde, was seine Stammesgenossen aber sehr übel gedeutet haben mussten; denn am Abend vor dem Betläuten brachte eine Kuh auf ihren Hörnern diese Geschenke zurück, und seit jener Zeit hat man von dem Zwergvölklein nichts mehr gesehen oder verspürt.
J. Natsch

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Die drolligen Zwergensagen kommen in mannigfaltigen Variationen vor. Das Originelle an der obstehenden ist, daß eine Kuh die Geschenke an den Hörnern zurückbrachte.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 345, S. 192f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, September 2005.