Die drei Klosterfrauen

Im Höfli zu Attinghausen, wo vor Zeiten ein Frauenkloster gestanden (1608–1676) *), und zwar im Ökonomiegebäude, das im Brande von 1676 allein übrig geblieben, müssen drei Klosterfrauen wandlen bis zum jüngsten Tage.

In diesem Höfli ist ein prächtiges Obstgewächs. Eines Nachts wollte ein Attinghausener da Birnen oder Äpfel stehlen. Schon hatte er einen Baum erklettert. Da schoss aber eine Klosterfrau aus dem Häuschen hervor, verwandelte sich im Nu in einen brandkohlenchessischwarzen Bettsack und fuhr auf den Baum los. Mit knapper Not entkam der Obstliebhaber. In der nächsten Nacht nahm dieser einen seiner Brüder mit, aber zwei Klosterfrauen, die sich ebenfalls in brandkohlenchessischwarze Bettsäcke verwandelten, vertrieben sie; ebenso erging es, als alle drei Brüder sich zusammentaten, sie wurden von den drei Klosterfrauen auf die nämliche Art verjagt.

Einer ass einst von den Birnen des Höfleins. Er war satt und wollte eine übrige halbe Birne verächtlich wegwerfen oder gar zerstampfen. Doch kam ihm Besseres in den Sinn, und er legte die halbe Birne sorgfältig hin. Da kam eine der drei Klosterfrauen daher, zerrieb zwei Steine zwischen ihren Händen und rief: "Wenn du nicht ordentlich gewesen wärest, so hätte ich dich zerrieben wie diese Steine!"

Barbara Gisler, 80 J. alt, Attinghausen.
*) Bevor das Kloster da gegründet worden, hiess die Gegend "beim Stein", und schon im 16. Jahrhundert war ein Kapellchen gebaut worden. (S. 24. Hist. Neujahrsbl. v. Uri 1918.)

Quelle: Josef Müller: Sagen aus Uri, Band II., Basel 1929