Der wilde Kegler

Auf des Roßbergs Alpentriften
jetzt die munt're Herde haust,
wo der Bergstrom aus den Klüften
wütend über Felsen braust.

Dort auf farnbewachs'nem Hügel
oft der kecke Älpler ringt,
und mit starkem freiem Flügel
sich der Aar im Kreise schwingt.

Wettergraue Tannenwipfel,
Zeugen einer alten Zeit,
rauschen von des Berges Gipfel
Sagen der Vergangenheit.

So erzählt die alte Kunde
von Bannhölzlers Zauberschloß,
wie er da im Geisterbunde
herrscht und harrt auf weißem Roß.

Nächtlich in der zwölften Stunde
klingt es dort wie Geisterchor,
und im steindurchfurchten Grunde
öffnet sich das Felsentor.

Hat es Zwölfe erst geschlagen,
rennt er über Wald und Flur,
treibt sein Pferd in wildem Jagen
durch die stille Bergnatur.

Einstens stand an Kirchweihtagen
eine Schar am Kegelspiel.
Einer könnt' es nicht ertragen,
daß ihm gar kein Kegel fiel.

Fluchend warf er nochmals wieder
seine Kugel auf die Bahn -
keinen Kegel wirft er nieder,
keinen rührt die Kugel an.

"Hilf Bannhölzler du mir spielen,
denn in meinem schlechten Glück
keine Kegel mir noch fielen,
wende du mein Mißgeschick."

Heissa! Hört ihr's wie es brauset,
seht ihr dort das Feuermeer?
Wie des Rosses Mähne sauset
durchs geheime Geisterheer.

Hu, wie seine Augen sprühen,
wie die Peitsche wild erknallt
und des Pferdes Hufe glühen,
daß es durch die Lüfte hallt.

Alle steh'n in grausem Schrecken
auf die Erde festgebannt,
doch Bannhölzler reißt dem Kecken
seine Kugel aus der Hand.

Schwingt sie mit den Riesenhänden,
daß die weite Flur erdröhnt
und an nahen Felsenwänden
bang und düster widertönt.

Aber alle Kegel fielen
und die Kugel schwang sich fort.
Keiner konnte je so zielen
aus der Schar der Spieler dort.

Über Fluh und Bergeskämme
geht es fort nach Lotenbach,
dort fährt er sein Roß zur Schwemme,
und es folgt ihm willig nach.

Stürzt mit ihm sich in die Fluten,
schwimmt hindurch nach Immensee,
darob zischt in Feuergluten
geisterhaft der Zugersee.

Hei, wie's saust und braust und knallet
von der Woge bis zum Schlund,
wie das Wasser zischt und wallet
von dem Reiter bis zum Grund.

Dann fährt er sein Roß zurücke
nach der öden Geisterkluft,
schließt des Schlosses Zauberbrücke,
da die Morgensonne ruft.

Wo des Roßbergs Gipfel ragen,
zeigt der Senne dir das Schloß
und erzählt hier aus den Sagen
vom Bannhölzler und dem Roß.

A. M.

Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 62