DER UNTERGANG VON BÖSÄLGÄU

Zwischen dem Furggengütsch (Furke, Gabel) und der Steinigen Matt (Hohgant im Berner Oberland) öffnet sich nach Südosten gegen die Alpentriften von Bösälgäu die Schlucht der Karrhohlen, deren Grund mit Steintrümmern angefüllt ist. Die Karrhohlen verdankt ihren Namen vielleicht der Volkssage, daß vor alten Zeiten diese Schlucht als Straße gedient habe, wenn die Ritter von Schöritz oder, wie andere sagen, der Teufel und sein Gefolge, mit Roß und Wagen über die Firsten des Hohgant herangefahren kamen, um die Herren von Ällgäu in ihrer wallumgürteten Stadt zu besuchen. Denn wo jetzt die ärmlichen Alphütten von Bösälgäu auf einer Bergterrasse hart am höchsten Joche der Hohgant gelagert sind, da soll vor Zeiten eine Stadt gestanden sein, und die Hirten weisen dem Fremden kleine Erderhebungen, welche ringförmig das Alpläger umgeben und in denen er die Spuren ehemaliger Stadtwälle erkennen soll.

Diese Stadt soll einst unter dem besonderen Schutz und der Obhut von Bergmännchen oder Zwergen gestanden sein, welche in dem Gebirge hausten, zuweilen die Stadt besuchten, den Leuten Gutes taten und Frieden und Einigkeit unter ihnen zu befestigen trachteten. Als aber Geiz, Übermut, Zwietracht und Sittenlosigkeit überhandnahmen, da gaben die Bergmännchen die Warnung mit den Worten:

D'Furggefluh ist g'spalten,
Schlegel und Wegge erkalten,
wer fliehen will, der lauf!

Wer auf diese Warnung achtete, der konnte sich noch durch schnelle Flucht retten; die übrigen Einwohner aber wurden unter den Trümmern der einstürzenden Stadt begraben und von jener Zeit an verschwanden die Bergmännchen.

(G. Studer, Panorama von Bern)

Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858