DIE ÜBERSCHÜTTUNG VON KIENHOLZ

Das Hasletal ist häufigen Zerstörungen ausgesetzt. Ein Schlammstrom von aufgelöstem Schiefer zerstörte 1797 zu Schwanden viele Häuser und Wiesen. Auf gleiche Weise ward im 15. Jahrhundert, wie die allgemeine Sage geht, das Dorf Kienholz teils mit Steinen, Schlamm und Grus überschüttet, teils in den Brienzersee hinausgeschwemmt und lange Zeit bezeichneten nur dürftige Häuser die Stätte, wo es gelegen.

Es gibt noch dermalen ein Geschlecht des Namens Kienholz, welches folgende Stammsage hat: Nach Überschüttung des Ortes fuhr öfter ein Karrer (Fuhrknecht) über den hohen Steinschutt. Sein Gaul zeigte sich stets auf der nämlichen Stelle unruhig, der Hund scharrte im Boden und beide wollten nur ungern vom Fleck. Endlich verschaffte sich der Karrer die Erlaubnis, daselbst zu schürfen und zu graben, und man kam bald an das Gewölbe eines Kellers. In diesem fand man einen alten Mann mit einem Knaben aus dem verunglückten Dorf, die beträchtliche Zeit hindurch sich in dieser Gruft mit Wein und Käse und herabsickerndem Wasser das Leben gefristet hatten. Man half den beiden heraus, aber der Greis starb an der frischen Luft in kurzer Zeit. Der Knabe dagegen lebte fort und sein Name ward zum Andenken an den Vorfall anstatt Schneiter, wie er geheißen, in Kienholz verändert.

(Schriftlich aus Brienz)

Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858