VERWÜSTUNG DER SCHRATTENFLUH

Auf der Sonnseite der Schrattenfluh im Entlibuch ist eine dürre, fast wurzellose Gegend. Früher soll die Einöde eine der prächtigsten Alpen gewesen sein, die einem einzigen Sennen gehört habe. Als der Vater starb, hinterließ er drei Söhne; der eine von ihnen aber war blind und hielt sich unten im Dorfe Tschangnau auf. In der Mitte des Sommers besuchte er an einem Sonntag seine Brüder. Aber diese verspotteten ihn heimlich und beim Mittagessen mischten sie ihm anstatt frischen Ziegers frischen Kuhkot in die Milch. Als nun der Blinde darüber eine saurer Miene machte, konnten sie sich des Lachens nicht enthalten. Da merkte der Blinde ihre Schalkheit und verfluchte die Brüder samt der Alpe. Alsbald geschahen Bergstürze auf Bergstürze und in wenigen Jahren hat man daselbst weder Erde noch Grashalm mehr gefunden.

(Mündlich aus Flühli)

Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858