DER SEE BEIM POKHART

Am Fuß des Pokhart, der eine kleine Strecke von Salzburg entfernt ist, liegt ein kleiner See, der eine Menge Schätze enthält, so daß in alten Zeiten jährlich Taucher aus Italien nach dem Pokhart wanderten, um sich aus den Abgründen des Sees Schätze zu holen und diese in ihre Heimat zu bringen. Der See war anfangs nicht da, sondern statt seiner ein reiches, fruchtbares Land. In allen Felsenspalten blinkte Erz, Gold und Silber hervor. Aber das Volk und besonders die Bergknappen dieses Tales wurden bald übermütig, ja sie warfen sogar mit silbernen Platten herum und würden sich geschämt haben aus anderen als aus goldenen Bechern zu trinken. Da kam denn das Strafgericht über sie. Die schönen ergiebigen Berge wurden plötzlich von Eismassen bedeckt, welche tiefer und tiefer in das Tal rückten und zerschmolzen. Das reiche Tal sank ein, die Wasser stürzten über demselben zusammen, verschlangen alles, was lebte, und versenkten die Schätze in den tiefsten Abgrund. Noch jetzt sieht man bei heiterem, stillem Wetter, wenn das Wasser des Sees vollkommen klar und ruhig ist, in der Tiefe desselben wunderliche Gebilde, gleich zahllosen Stämmen übereinandergestürzter Wälder.

(Von einer alten Frau in Salzburg)

Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858