FRIDOLIN, DER ENTFÜHRTE GARTENZWERG

Es begann vor etwa zwölf Jahren auf einer Geburtstagsfeier irgendwo in Süddeutschland (genauer Ort auf Anfrage). Zu fortgeschrittener Stunde entdeckten einige der Gäste im Nachbargarten einen Gartenzwerg und entwendeten diesen. Der Zwerg wurde auf den Namen Fridolin getauft, dem Nachbarn wurde ein Zettel hinterlassen, dass Fridolin sich auf Weltreise begeben werde, da es ihm im Garten zu langweilig sei.

Im Laufe des folgenden Jahres schrieb jeder der etwa zwanzig Gäste der Feier in Fridolins Namen Postkarten an den Eigentümer des Zwerges, wann immer es ihn ins Ausland verschlug, ob wegen Urlaub oder geschäftlich. Da die Gästeschar ein reisefreudiges Völkchen war, kamen so Grüße unter anderem aus Australien, den USA, der Schweiz und Ägypten zusammen.

Irgendeiner hatte die Idee, dem Daheimgebliebenen zu erzählen, Fridolin habe eine nette Zwergendame kennengelernt und Plane zu heiraten. Kurz vor dem nächsten Geburtstag des Zwergennachbarn wurde versucht, eine Gartenzwergin zu beschaffen, was bei dieser doch vorwiegend männlichen Spezies erheblich problematischer war als zunächst gedacht, letztlich jedoch mit Erfolg gekrönt.

Nun, zur Geburtstagsfeier versammelte sich die Gästeschar wieder, Fridolin samt Ehegattin wurde heimlich zu seinem Eigentümer zurückgebracht, und der arme Nachbar hatte nicht nur seinen Zwerg wieder sondern noch einen weiblichen Gartenzwerg zusätzlich.

Tatsächlich war der Zwerg natürlich die ganze Zeit im Keller eines der Gäste untergebracht. Die Mühe mit Photomontagen zum Beleg der Reisen hatte sich auch niemand gemacht. Aber den Bericht über die Heimkehr Fridolins habe ich aus erster Quelle.

Anmerkung: Das Motiv des Gartenzwerg des Nachbarn auf Weltreise wird im Film "Die wunderbare Welt der Amélie" (Frankreich, 2001) verwendet. Dort gibt es neben Postkarten auch Fotos mit dem Zwerg vor diversen Sehenswürdigkeiten. Auch hier ist die "Weltreise" von der wohlmeinenden Nachbarin Amélie vorgetäuscht, um den ängstlichen Gartenzwergbesitzer von seiner Reisephobie zu kurieren. (Anmerkung zugesandt von Brigitte Novacek aus Wien am 8. August 2002)

Quelle: E-Mail-Zusendung von Gerhard Jahnke, 16. Mai 2002