Das Kettenkarussell
Drei Freunde in einem kleinen Ort im Süden
von Kassel haben gemeinsam Geburtstag gefeiert. Mitten in der Nacht, nach
reichlich Alkoholgenuß, hatten sie Lust, noch etwas zu unternehmen.
Ich muß dazusagen, daß in dem Dorf gerade an dem Wochenende
Kirmes war. Also gingen sie mit einigen Flaschen Proviant zum Rummelplatz,
aber da war schon alles dicht. Dabei wären sie so gerne noch Kettenkarussell
gefahren! Neben dem Karussell war ein Wohnwagen. Sie klopften dort so
lange an die Tür, bis der Besitzer des Karussells schlaftrunken herauswankte
und sie fragte, was sie wollten. Kettenkarussell fahren!" sagten
sie und winkten mit ihren Flaschen. Kurz und gut, der Besitzer ließ
sich erweichen, stellte das Karussell an und sprang im letzten Moment
selbst noch mit drauf. Am Anfang hatten sie alle vier noch viel Spaß
mit Schwingen und Abstoßen und so, aber plötzlich merkten sie,
daß niemand zum Abstellen da war und sie aus ihren hoch schwingenden
Sitzen auch nicht abspringen konnten. Alles Rufen und Schreien war umsonst.
In der ganzen Nacht wurde keine Menschenseele auf sie aufmerksam. Erst
am nächsten Morgen wurden sie befreit. Der Karussellbesitzer hatte
die Nacht noch am besten überstanden. Der erste der Männer konnte
nur noch tot aus dem Sitz geholt werden, der zweite mußte gleich
in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert werden, und der dritte hat
beschlossen, sein Leben zu ändern.
Erzählt am 21. September 1991 von
einem Buchhändler aus Kassel
Quelle: Das Huhn mit dem Gipsbein, Neueste sagenhafte Geschichten von heute, Rolf Wilhelm Brednich, München 1993, Seite 143, Variante b.